Prestel-Verlag veröffentlicht Buch über kreative Frauen
Es gibt Bildbände, in die man eintauchen, Rezeptbücher, in die man hineinriechen möchte. Bei diesem Buch ist man versucht, mit den Fingern die schimmernden Perlenschnüre zu berühren, die feinen Stoffe, edlen Papierkreationen oder sinnlichen Keramiken. Ulrike Romeis (Photographie) und Niamh Blumstrom (Texte) haben künstlerisch kreative Frauen in Deutschland besucht, in Seefeld und Leipzig, in Bruchsal und Berlin …
Sie formen und gestalten, »kreativ« bedeutet schöpferisch – diese Frauen bringen mehr hervor als Farben oder abstrakte Figürlichkeit. Unter ihnen gibt es Meisterinnen ihres Faches wie die Glasmalerin Christiane Merger oder die Porzellankünstlerin Claudia Biehne, viele von ihnen verschränken die Disziplinen und Meisterschaften, sind Bildhauerin und Korbflechtmeisterin (Susanne Thiemann), Textildesignerin und Farbberaterin (Ursula Eva Hampe).
Kreative Frauen verbinden oft das Praktische und Nützliche mit der Kreation, ihre früheren Beruf mit der neuen Profession: Ulrike Böglmüller-Buchner ist Keramikmeisterin und Naturschützerin, die Buchbinderin und Papeteriekünstlerin Alexandra von Schönberg unterhält nebenbei einen Biohof, und die frühere Lehrerin Susanne Scharff fertigt als Schmuckdesignerin neue Pretiosen an, hat aber auch schon manches alte Schmuckstück erhalten. Bei ihr zeigt sich wie bei vielen der Frauen: es geht um mehr als Objekte – die Kreation liegt oft in der Verbindung, in einem übergeordneten Kontext. Susanne Scharff gestaltet nicht allein Schmuck, sie schaut sich zunächst die Trägerin an und kreiert, was zu ihr passen würde. Nebenbei hat sie ihre Passion für Literatur erhalten und empfängt ihre Kundinnen in einem Salon. Alexandra von Schönberg sagt, daß sie zu jedem Stück, das sie anbiete, ob Schmuckschachteln oder anderen Kleinoden aus Papier und Stoff, einen Bezug hat. So wie die frühere Biologin Annette Vogel, die heute als Buchkünstlerin und Graphikerin kostbare Kleinstauflagen herstellt. Auch sie hat ihre ursprüngliche Ausbildung mit dem neuen Metier verknüpft: vom Aussterben bedrohten Insektenarten ordnete sie einen Buchstaben des deutschen Alphabets zu und gestaltete daraus das Werk »Über das Verschwinden«.
Es geht nicht nur um Handwerk, es geht um Inspiration, um das Leben und um Balance. »Kreativität« beschränkt sich eben nicht darauf, eine »Idee« zu gebären und in die Welt zu setzen. Die Erschaffung von neuem und die Erhaltung von altem befinden sich dabei in Balance, überlieferte Handwerkstechniken und Werkzeuge gehören deshalb selbstverständlich dazu. Und mit der Fertigstellung ist der Endpunkt oft nicht erreicht. Manches will gepflegt werden, anderes ändert sich (so wie sich die Trägerin vielleicht verändert). Majolika-Malereien und glasierte Fliesen sind zum herzeigen da, und die Keramikobjekte der Bildhauerin und Installationskünstlerin Christel Lechner oder die Glasmalereien von Christiane Mergner kann man in Ausstellung ebenso wiederfinden wie in Glasfenstern von Kirchen, im Stadtbild von Rheda-Wiedenbrück oder Berlin. Kreativität ist auch nicht nur ein Ventil für überschüssige Energie, sie ist Teil eines schöpferischen Aktes. Doch um eine Geschäftsidee zu realisieren, braucht es darüber hinaus noch ein großes Organisationstalent. Das Ergebnis ist bemerkenswert.
22. November 2019, Wolfram Quellmalz
Ulrike Romeis (Photos), Niamh Blumstrom (Texte): »Mit Liebe zum Detail. Kreative Frauen und ihre Leidenschaft für Kunsthandwerk«, Kunsthandwerk und Lebensläufe, Bildband / Geschenkbuch, Prestel, fester Einband mit farbigem Druck, 192 Seiten, 300 farbige Abbildungen, 40,- €