Meisterkonzerte – Meisterinterpreten feiern Beethoven und mehr
Natürlich darf ein Jubilar wie Ludwig van Beethoven 2020 ganze Konzertprogramme allein beherrschen. Immer wieder stoßen wir auf ihn als Schwerpunkt, zyklische Aufführungen seiner Violin- und Klaviersonaten oder seiner Sinfonien sind ja auch ein Muß! Und doch kann man Beethoven noch anders erleben, etwa mit einer Klaviersonate, einem Klavierquartett und einem Klavierkonzert im selben Programm.
So war gestern im Ballsaal des Hotels Königshof Dresden-Strehlen, der Spielstätte des Meisterwerke-Meisterinterpreten e. V. kein geringerer als Peter Rösel zu Gast, der – noch ein Jubiläum – in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert. Und nicht nur das: die ihn begleitenden Musiker gehörten zur Cappella Musica Dresden, die 1995 gegründet worden ist und damit ihr silbernes Jubiläum feiert.
Doch statt Sekt und Feuerwerk gab es Musik – zu Beginn die zehnte Klaviersonate (E-Dur, Opus 14 Nr. 2). Heiter, wie durchs Fenster dringender Sonnenschein beginnt sie, doch Peter Rösel verlieh ihr bald die Flügel Beethoven‘schen Impetus‘. Der Komponist hatte die Sonate als »bekömmliches Experiment« angelegt, in nur drei Sätzen, weil Beethoven Scherzo und Allegro assai in einem zusammengefaßt hatte. Schon das Andante entpuppte sich unter Peter Rösels Händen bald als munteres, beherztes Variationsspiel denn als gemächlich gehender langsamer Satz.
Werden bekannte Werke so delikat präsentiert, läßt sich darin immer wieder neues entdecken. Das gilt auch und gerade dann, wenn sie gekonnt (!) bearbeitet wurden. So hat der Meister aus Bonn mit seinem Opus 16 ein Quintett für Klavier und Bläser (in Wien) geschaffen, das – zusammen mit dem Quintett Mozarts – seinesgleichen sucht (allerdings hat es, gerade seit dem letzten Jahrhundert, einige interessante neue Gattungsbeiträge gegeben). Mit dem Zusatz »b« an der Opuszahl kann man diesmal nicht den Grundton um einen Halbtonschritt herabsetzen, sondern gelangt zu einem Quartett – mit Klavier und Streichern. Beethoven selbst hat diese Änderung auf Verlegerwunsch vorgenommen, dabei behält es manches vom Charakter der Bläser- (Harmonie-)Musik, vom Liedgesang, doch soll es Beethoven (angeblich) egal gewesen sein, ob ihn drei oder vier Musiker begleiteten. So sind Zeitzeugenberichte erhalten, die beschreiben, wie er gleichermaßen phantasievoll wie (gegenüber den Mitspielern) »rücksichtslos« frei phantasiert habe (die Bläser haben abwarten müssen, wann Beethoven zum Thema zurückkehrt, schreibt Ferdinand Ries). Am Sonntagnachmittag gab es keine Extravaganzen, aber eine ganze Portion Beethoven – energisch, harmonisch, mit sich durchdringenden Stimmen.
Vom Opus 16 gibt es übrigens weitere Bearbeitungen, andere Quartette und Quintette, eine Fassung für Klavier vierhändig sowie für zwei Klaviere. Solche Bearbeitungen geschahen oft durch fremde Hand, und das durchaus gekonnt, wie das Publikum nach der Pause erleben durfte. Denn die Bearbeitung des vierten Klavierkonzertes für Klavier und Streichsextett stammt von einem (heute unbekannten) Zeitgenossen – man kann sie als sehr gelungen ansehen (und anhören).
Natürlich erkennt man den Beginn sofort, doch klingt das Klavierkonzert in dieser kammermusikalischen Fassung manches Mal ganz anders. Das liegt einerseits in der Individualität der Stimmen, die hier viel stärker zutage tritt als bei einem großen Orchesterverbund und dessen Homogenität der Instrumentengruppen, andererseits mußte der Bearbeiter manche Stimmen, gerade die Soli von Holzbläsern oder Horn, auf die Streicher übertragen, so daß diese teilweise unterschiedliche Stimmen spielen bzw. zusammenfassen.
Trotzdem blieb der typische Impetus auch hier erhalten, ebenso wie die geistvolle Heiterkeit, die man bei Beethoven eigentlich immer finden kann, die Ausgewogenheit der Stimmen. So bekamen die Konzertbesucher ein wirkliches Fest präsentiert: Beethoven, Peter Rösel und das Klavier standen klar im Mittelpunkt.
10. Februar 2020, Wolfram Quellmalz
Am 22. März (16:00 Uhr, Ballsaal des Hotels Königshof, Dresden-Strehlen) geht es weiter: Das Collenbusch-Quartett der Dresdner Philharmonie spielt Ludwig van Beethovens Streichquartette Opus 18 Nr. 1 sowie Opus 59 Nr. 1.