Musica Fiorita und Daniela Dolci präsentieren Neapolitanische Konzerte
Italien scheint derzeit unerreichbar. Aber »schnuppern« (oder lauschen) darf man noch. Das muß man auch, denn die besten Zitronen kauft man nicht im Laden, man findet sie an der Amalfi-Küste, so wie das Olivenöl aus Ligurien oder der Toskana unübertroffen ist, die Mandeln wie die Reisküchlein auf Sizilien am vorzüglichsten schmecken …
Die kulinarische Vielfalt des Landes und seiner Regionen spiegelt sich in den Künsten wider. Selbst wenn man nur auf die Musik in Venedig, Mailand oder Bologna schaut, zeigt sich eine mannigfaltige, blühende Landschaft. Auch Neapel ist so ein Hort musikalischer Vielfalt und Raffinesse.
Musica Fiorita haben unter der Leitung von Daniela Dolci Neapolitanische Konzerte für verschiedene Instrumente vorgelegt. Mit dabei ist die aus Pirna stammende Karoline Echeverri Klemm, die kürzlich mit ihrem Mann Germán Echeverri im 121. Galeriekonzert des Stadtmuseums Pirna zu erleben war. Heute lebt sie – wie die übrigen Musiker – im Alte-Musik-Zentrum Basel.
Die prägende Violinschule entstand in Neapel nach der wesentlich durch Antonio Vivaldi bestimmten in Venedig, welche aber kein alleingültiger Maßstab sein soll – im Gegenteil. Die Vielfalt der Neapolitanischen Musik zeigt sich nicht zuletzt in ihren verschiedenen Soloinstrumenten. Musica Fiorita fokussieren auf die besonders lebendige Zeit Ende des achtzehnten Jahrhunderts und stellen den Hörern unter anderem Giovanni Battista Pergolesi vor, jenes so jung verstorbene Genie, dessen Stabat Mater noch heute für viele DAS Stabat Mater ist. Doch Pergolesi war selbst Geiger, schrieb Instrumentalmusik. Mit Giovanni Battista Mele, Francesco Paolo Supriani, Francesco Barbarella, Stefano Galeotti und Domenico Sarri wendet sich das Ensemble aber auch Virtuosen und Komponisten zu (manche von ihnen waren auch Sänger), die heute kaum mehr bekannt sind. Dabei verbinden die Baseler erquickende Virtuosität mit melodisch-kontrastreichem Musizieren, Variabilität und Mannigfaltigkeit.
Erfrischend öffnet sich schon Giovanni Battista Meles Sonata Decimaquinta für Blockflöte, Violine und Basso continuo hin zur Konzertform. Francesco Paolo Supriani wiederum ist nicht nur im gleichen Jahr wie Antonio Vivaldi geboren, er hat auch wie dieser das Violoncello (Solist der Aufnahme: Daniel Rosin) seiner Rolle als Begleitinstrument entrissen und ihm eine Sinfonia a violoncello solo zu gedacht, die in Schönheit schwelgt. Priska Comploi läßt danach den Klang der Blockflöte in Francesco Barbarellas Sonata Terza im Ohr schmelzen – wahrhaft eine Flauto dolce (süße Flöte)!
Mit Ausnahme Pergolesis Concerto di violino solo con più strumenti zu Beginn und Suprianis Cello-Sinfonia handelt es sich bei den Stücken sämtlich um Sonaten. Dennoch spürt man den reichen Klang eines Ensembles, denn Daniela Dolci weiß kammermusikalische Grazie mit dem orchestralen Reichtum des Ripieno symbiotisch zu vereinen.
Die auf der CD versammelte Auswahl stellt eine Kostprobe dar, die Neapels Rolle als ein Zentrum kompositorischen Schaffens verdeutlicht. In Neapel gibt es übrigens auch köstliche Leckereien, wie schon Franz Werfel schrieb: Familie Pascarella (»Die Geschwister von Neapel«) bäckt zu Sonn- und Festtagen gerne einen »Pasticcio di Maccheroni«. Das Rezept muß ich mir beim nächsten Italienbesuch unbedingt verschaffen – träumen dürfen wir ja noch!
Musica Fiorita, Daniela Dolci (Leitung) »Neapolitan Concertos for various instruments«, Werke von Giovanni Battista Pergolesi, Giovanni Battista Mele, Francesco Barbarella und anderen, erschienen bei Pan Classics
2. April 2020, Wolfram Quellmalz
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