Akademie des Moritzburg Festivals auf der Schloßterrasse
Von Sonntag auf Montag zeigte sich das Wetter so vielfältig und stimmungsvoll wie die Musik der Moritzburg Festival Akademie. Und szenisch beeindruckend, denn der nachlassende Regen, die Nebelschleier und ein zarter Hauch von Rosa über den Wäldern wirkten um das Schloß und den Teich besonders eindrucksvoll.
Pünktlich zum Beginn der Langen Nacht der Kammermusik waren die letzten Tropfen zerstoben, Sicht, Himmel und Ohren frei für die Akademie. Sie ist in diesem Jahr wegen der Quarantäne- und Reisebeschränkungen bedeutend kleiner als sonst. Ein Engpaß ergab sich bei den Violen, wo kurzfristig eine Akademistin ersetzt werden mußte – Ulrich Eichenauer wechselte vom Hauptprogramm herüber. Auch die Wahl des Preises des Moritzburg Festivals, die traditionell am Ende der Langen Nacht durch das Publikum erfolgt, mußte entfallen, da ein Gesundheitskonzept (zu viele Stimmzettel, die durch alle Hände gingen) nicht zu realisieren war. Das Preisgeld wurde aber nicht gespart, sondern für und im Sinne der Akademie eingesetzt, was dazu beigetragen haben dürfte, das Nachwuchsprogramm in diesem vertrackten Jahr zu erhalten.
Musikalisch zeigten sich die jungen Musikerinnen und Musiker nach dem Picknick tags zuvor erfrischt, das Programm leicht überarbeitet. Die wegen der geringen Teilnehmerzahl gestiegene Anzahl der Stücke pro Akademist ließen fürs Studieren und Üben der einzelnen Werke aber vielleicht weniger Zeit. Manchmal, wie bei Franz Schuberts Quartett »Der Tod und das Mädchen« in der Fassung von Gustav Mahler (neun Streicher), waren Intonation und Homogenität nicht auf dem gewohnten Niveau.
Insgesamt jedoch ist auch 2020 die Qualität der Akademie enorm. Die ganz modernen Stücke gab es zwar nicht, doch zwischen achtzehntem und zwanzigstem Jahrhundert fanden sich launige Bläserensemble, gediegene Streicherformationen und beschwingte Serenaden. Schon ein Satz aus Felix Mendelssohns Quartett Nr. 4 (Louisa Rocha und Kazım Kaan Alıcıoğlu / Violinen, Jiliang Shi / Viola und Benjamin Lund Tomter / Violoncello) überzeugte durch eine feine, ausgewogene Ausarbeitung. Später gab es einen starken Mittelteil der Langen Nacht mit klassischen Streicherstücken: auf Antonin Dvořáks Quintett Es-Dur folgte Luigi Boccherinis Rondeau aus dem Quintett G 337. Die Musiker um das lachende Cello von Benjamin Lund Tomter (Matthew Chin und Carolin Grün / Violine, Ulrich Eichenauer, Jiliang Shi) ließen im ironischen Witz des Stückes erkennen, daß Boccherini nicht in der alten Form verharrte. Meisterlich, geistvoll und preisverdächtig war Ludwig van Beethovens Allegro con spirito aus dem Trio Nr. 4 in der Besetzung Chin / Eichenauer (für Anuschka Cidlinsky) und Petar Pejčić (Violoncello). Mit dem in Gohrisch entstandenen Streichquartett Dmitri Schostakowitschs und einer differenzierten Interpretation eroberten Kazım Kaan Alıcıoğlu, Lydia Stettinius (Violine), Jiliang Shi und Benjamin Lund Tomter noch zu später Stunde die Publikumsherzen.
Für die musikalische Erfrischung sorgten oft die Bläser: Mario Bruno (Flöte), Ruth Santiago Gonzalez (Oboe), Clarissa Schmitt (Klarinette), Hana Hasegawa (Fagott) und Carlos Pinho (Horn) fanden harmonisch zueinander, Paul Hindemiths Kleine Kammermusik Opus 24 Nr. 2 (Bruno / Santiago Gonzalez / Schmitt / Hasegawa / Pinho) war exquisit! Gewinnend waren besonders die Stücke, welche beide Orchesterfraktionen berücksichtigten, wie Francis Poulencs Mouvements Perpétuels oder Witold Lutosławskis Dances Preludes, die luftig ums Moritzburger Schloß hüpften. Mit einem Oktett des wenig bekannten Heinrich Hofmann gab es am Ende einen gediegen-vergnüglichen Ausklang und ein Stück, das ein ähnliches Begeisterungspotential hat wie der traditionelle Moritzburg-Abschluß, Mendelssohns Opus 20.
11. August 2020, Wolfram Quellmalz
Die Akademie des Moritzburg Festivals hat am Sonnabend ihren letzten Auftritt. Dann erklingen in Orchesterformation Werke von Leopold Mozart, Benjamin Britten, Peter Tschaikowsky und anderen (Leitung: Chefdirigent Josep Caballé Domenech)
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