Originales und Bearbeitungen

Marcel Andreas Ober im Dresdner Orgelzyklus

Am Mittwoch empfing die Kreuzkirche den Domorganisten der Hedwigskathedrale Berlin, Marcel Andreas Ober, im Rahmen des Orgelzyklus‘. Er sei der derzeit einzige Domorganist ohne Orgel, meinte Marcel Andreas Ober vorab im Gespräch, denn seit 2018 ist die Kathedrale wegen Umbaus und Sanierung geschlossen. Der neue Domorganist trat sein Amt gerade im Juli dieses Jahres an und ist seitdem Gast in der St.-Josephs-Kirche (Wedding) mit ihrer Orgel von Wolfgang Eisenbarth. Die Klais-Orgel der Hedwigs-Kathedrale wird er erst ab 2023 regelmäßig spielen und hören.

Für sein Konzert in Dresden hatte Marcel Andreas Ober eine Auswahl originaler und bearbeiteter Werke zusammengestellt. Natürlich sei die Originalliteratur bereits reich an Werken, doch ist es auch oft von großem Reiz, Orchester- oder Gesangsstücke für die Königin der Instrumente einzurichten. Wie durch Franz Liszt mit Otto Nicolais Fest-Ouvertüre über den Choral »Ein feste Burg ist unser Gott«. Das eindrucksvolle Stück war der festliche und jubelvolle Schluß des (mittlerweile) ungewohnt langen Konzerts.

Am Beginn stand eine eigene Bearbeitung des Gastes: die Aria aus Georg Friedrich Händels Concerto grosso Opus 6 Nr. 12 steht zwar bereits in den Orgelbüchern, die anderen Sätze fehlen aber. Marcel Andreas Ober schrieb sie selbst um, erhielt dabei den feierlichen (Largo) und verspielten (Allegro) Charakter. Vielleicht hätte er sich auch die Aria noch einmal vornehmen sollen, denn so schien sie in der Art der Registrierung doch sehr anders als die übrigen Sätze.

Johann Sebastian Bachs Trio BWV 664 ist zwar ein Original, doch der betagte Thomaskantor hatte darin ein Choralthema (»Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘«) be- bzw. verarbeitet. Marcel Andreas Ober zeigte, wie frei sich Bach dabei doch bewegte, wie er nicht die Botschaft, sondern die Melodie in den Vordergrund rückte und das Thema als musikalisches Material auskostete, was zu großer Kontemplation führte.

Auch Mozarts Konzert-Rondeau KV 382, in der Fassung Klavier und Orchester ein Ohrwurm, durfte man neu hören, die beiden Partner Solist und Tutti rückten, in einem Instrument verschmolzen, noch näher zusammen. Gleichwohl sind solche Lieblingsstücke bzw. deren Bearbeitung oder Neufassung wohl trotzdem ein wenig Geschmackssache.

Statt des stetigen Wechsels hätte Marcel Andreas Ober dem Programm vielleicht einen roten Faden geben können, denn die Unterschiedlichkeit bediente nicht nur verschiedene Vorlieben, sie riß die Werke auch ein wenig aus dem Zusammenhang. Manchmal, weil auf den Nachklang etwas vollkommen anderes folgte, im Fall von Louis Viernes 5. Sinfonie, gerade vor Wochenfrist im ganzen gehört, war das Scherzo allein weniger eindrucksvoll und komplex, nicht weil es ohne Tiefe dargeboten worden wäre, sondern weil ihm die Übergänge fehlten. Dagegen machte Eugène Gigouts Scherzo aus den Dix pièces neugierig auf die übrigen Werke – davon dürfte es gerne einmal mehr sein!

Bemerkenswert war, daß Felix Mendelssohns Variations sérieuses auf der Orgel nichts von ihrer Feingliedrigkeit verloren, wohingegen Max Regers Melodia B-Dur aus den Zwölf Stücken Opus 59 – zumindest im Vergleich der direkten Folge – sehr schlicht blieb. Immer wieder übrigens arbeitete Marcel Andreas Ober mit dem Schwellwerk, was zwar grundsätzlich ein Mittel ist, einen leiseren Klang zu erzeugen, manchmal aber merklich den Charakter der Musik ändert, da sie eben weniger frei, sondern gedämpft wirkt. Das Konzert begeisterte allerdings schon in der Fülle des gebotenen und der weitgefaßten Klangpalette.

28. August 2020, Wolfram Quellmalz

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