(K)ein Rufer in der Wüste

Marc Bouchkov füllt Raum der Dresdner Frauenkirche mit Violinton

Normalerweise finden solche Rezitale in der Unterkirche der Frauenkirche statt, deren Raum kammermusikalisch bestens geeignet ist. Der Umzug »umständehalber« erwies sich jedoch als durchaus vorteilhaft, denn immer wieder durfte sich der einsame Ton der Violine erheben und zur Kuppel strömen. Marc Bouchkov nutzte den Klangraum reichlich und gab dem Nachhall Zeit, zu wirken.

Auf dem Programm des Geigers hatten nur drei Werke gestanden. Zwei davon, Eugène Ysaÿes fünfte seiner herausragenden Sonaten für Violine solo sowie Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 2 sind Meilensteine der Violinliteratur, Bachs Partita ist durch die berühmte Chaconne – vielfach von anderen Komponisten bearbeitet – noch zusätzlich überhöht.

Eugène Ysaÿe hatte jede der sechs Sonaten einem Freund oder Schüler dediziert und der Idiomatik des Werkes jeweils für den Widmungsträger typische technische wie charakterliche Merkmale mitgegeben. Die fünfte, »L’Aurore« (Morgenröte) war Matthieu Crickboom zugeeignet. Marc Bouchkov folgte ihren gesanglichen Linien, anfangs mit leicht aufgerauhtem Ton, führte die beiden Melodieverläufe und die mit der rechten Hand gezupften Motive aus separaten Handlungssträngen zu einem filigranen Gewebe zusammen, das zunächst noch nichts von der Kapriziosität Paganinis hatte, sich schließlich aber mit immer größerer Finesse entwickelte. Die Töne hielt Marc Bouchkov klar oder sauber verschliffen, nach einer expressiven Steigerung ließ er sie nach oben fliehen und verharrte in einem Moment der Ruhe, bevor sich der Charakter einer Caprice schließlich durchsetzte.

Die Art, jeden Ton klar und genau auszuformulieren, vermittelte einen Eindruck der stupenden Technik und des Ausdrucksspektrums, über das der Violinist verfügt, wirkte manchmal jedoch etwas manieriert. In Bachs Partita sorgte Marc Bouchkov im Prélude zunächst mit kleinen Rückungen für durchaus sinnige Betonungen, ließ erneut den Nachhall des Raumes wirken. Der dritte und vierte Satz (Sarabande und Giga) schienen direkt aufeinander bezogen wie Frage und Antwort. Manche der ausgefeilten Feinheiten wirkten allerdings beabsichtigt, was in der Chaconne besonders deutlich ausfiel. Durch Betonungen, Lautstärkewechsel und verschiedene Steigerungen ordnete Marc Bouchkov zwar deren Struktur, doch teilte er den Satz dabei auf, unterbrach den Fluß, was die Spannung herabsetzte.

Mit einer Fantasie genannten eigenen Komposition fand das Programm seinen Abschluß. Im Stil folgte Bouchkov dabei eher einer Sonate quasi una Fantasia, die nicht allein vom freien Umgang mit einem Thema gekennzeichnet ist oder sich aus einem Motiv entwickelt, sondern in mehreren Teilen unterschiedliche Thematiken aufgreift. Dem sprunghaften Anfangsmotiv – einem Prélude gleich – folgten mit Liegetönen beginnende Variationen. Später schlossen sich Zitate eines Volksliedes an, bevor sich auch die Fantasie in eine – nun wirklich – Paganinische Kapriziosität steigerte. Das Tremolo wiederum erinnerte suggestiv an jenes aus Bachs Chaconne.

Auf eine vordergründige Virtuosität zielt Marc Bouchkov ganz sicher nicht ab, sondern sucht einen Klang und dessen Wirkung. So fanden sich gerade in den leisen Abschnitten starke, berührende Momente.

Mit dem Andante C-Dur (Bach) bedankte sich der Solist bei seinem Publikum für den herzlichen Applaus.

5. September 2020, Wolfram Quellmalz

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