Singen gegen Krisenzeiten

Kreuzvesper zum Reformationsfest

»Ein‘ feste Burg ist unser Gott, geschrieben von Martin Luther, sollte die Zuversicht des Menschen in den Glauben gerade in Krisenzeiten stützen, vermutet man heute – was könnte besser in eine Kreuzvesper passen in diesen Zeiten? Vom Choral gibt es zahlreiche Ableitungen und Bearbeitungen, aber auch andere Werkfassungen. Holger Gehring begrüßte die Vespergemeinde in der Kreuzkirche am Sonnabend mit Otto Nicolais Kirchlicher Fest-Ouvertüre in der Orgelbearbeitung von Franz Liszt – nicht der einzige Moment, an dem die Jehmlich-Orgel wirkungsvoll strahlen durfte. Der Choralsatz variierte erhaben, dann wie aus weiter Ferne kommend, steigerte bis zum prächtigen (festlichen) Finale. Später (nach dem Gemeindegesang) ließ der Kreuzorganist Johann Sebastian Bachs Fuga sopra il Magnificat (BWV 733) lobend verströmen und markant aufbrausen. Im übrigen Programm begleitete Gehring an der Truhenorgel aus der Werkstatt Wegscheider die Dresdner Kapellsolisten.

Noch einmal klang »Ein‘ feste Burg …«, diesmal aber die Solokantate von Georg Philipp Telemann (TWV 1:419). Nicht nur instrumental gefiel das Werk, das Telemanns Einfallsreichtum bewies und von den Kapellsolisten (Leitung: Holger Gehring) und Violinsoli (Susanne Branny) farbig ausgestaltet wurde. Clemens Heidrich (Baß) überzeugte mit klarer, verständlicher Diktion und großer Tragkraft, was ihn auch später im Solistenquartett weiter auszeichnete, und lenkte so die Aufmerksamkeit nicht zuletzt auf Text und Inhalt – bei Luther steht die Burg nicht zuletzt für »ein gute Wehr und Waffen«, während die nachfolgende gespielte Bach-Kantate »Gott der Herr ist Sonn und Schild« in der ersten Zeile das Behüten in den Vordergrund rückt, weniger trutzig schien und mehr Licht spendete. Heidi Maria Taubert (Sopran), Elisabeth Holmer (Alt) und Sebastian Reim (Tenor) bei Bach vervollständigten das Quartett.

Die Vesper zum Reformationsfest folgt vom Einzug bis zum Auszug dem besonderen Liturgischen Rahmen des Festtages, mit Lesungen zwischen den Kantaten, welche das Wort zum Sonntag ersetzen. Texte (Liturg: Holger Milkau) und Musik waren auf den Reformationstag hin ausgerichtet bis hin zum Gemeindegesang (»Nun freut euch, lieben Christen gemein«, EG 341). Daß die Stimmung gerade jetzt bei aller Festlichkeit dennoch gedämpft blieb, war nachzuvollziehen. Vielleicht gab es deshalb, »zum Mitnehmen«, einen anderen Ausklang, denn die Dresdner Kapellsolisten hatten ans Ende des Programms die Sinfonia aus dem Brandenburgische Konzert Nr. 1 (BWV 1046) gestellt, die mit Streichern und Bläsern, darunter Corno da Caccia und Horn, sowie Pauken noch einmal den Festglanz betonte.

1. November 2020, Wolfram Quellmalz

Wegen ihres gottesdienstähnlichen Charakters sind Vesperveranstaltungen im Rahmen der aktuellen Maßnahmen erlaubt. Die Kreuzvesper am 7. November (17:00 Uhr) soll vom Kreuzchor (Leitung: Kreuzkantor Roderich Kreile) gestaltet werden. Programm und aktuelle Informationen unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de

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