Vasily Petrenko bei der Dresdner Philharmonie
Das ursprüngliche Programm »Die Seejungfrau« mit märchenhaften oder mythischen Stücken bzw. sinfonischen Bildern wäre sicherlich eine Bereicherung gewesen, doch war dies unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich. So gab es mit dem ursprünglich geplanten Dirigenten Vasily Petrenko eine heitere Serenade und volkstümliche Lieder, an die sich ohne Pause Mendelssohns Reformations-Sinfonie anschloß – formal sicher gewöhnungsbedürftig.
Andererseits sind wir ja froh, wenn es überhaupt noch Konzerte gibt – gab. Nun war es das vorerst letzte mit der Dresdner Philharmonie, zu dem sich Konzertmeister Wolfgang Hentrich und Daniel Thiele (Violoncello) vorab beim Publikum sowie beim Team von Intendantin Frauke Roth bedankten, das es in den letzten Wochen ermöglicht hat, dem Publikum wieder eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit höchst interessanten Inhalten zu bieten. Der vorübergehende Abschied drückte ein wenig die Stimmung, ähnliches war am Abend zuvor bei Sebastian Knauer in der Frauenkirche zu erleben.
Natürlich wollten die Philharmoniker ihrem Publikum noch einmal etwas bieten, von dem es möglichst viel für die nächsten Wochen mit nach Hause nehmen kann …
Wie Othmar Schoecks Serenade für kleines Orchester Opus 1. Gerade mit solchen Werken – in Schoecks Œuvre eher ungewöhnlich, hatte vor allem das Philharmonische Kammerorchester um Wolfgang Hentrich schon ein paar Konzertabende bereichert. Der Schweizer Komponist erwies sich erneut als Fundgrube, sein Werk als elegante Parodie auf die historischen Serenaden. Die Philharmonie trat mit Streichern, einem Holzbläserquartett und Pauke sehr akzentuiert und solistisch, aber auch sehr geschlossen und sinfonisch auf. Nicht nur wer Schoecks launiges »Programm« des Werkes verfolgte, konnte seine Freude daran haben – eine Entdeckung!
Noch mehr Freude bereitete danach Anna Lucia Richter. Mit ihr erklangen fünf der Lieder aus Gustav Mahlers »Des Knaben Wunderhorn« erstmalig im neuen Saal. (Die letzte Aufführung mit Matthias Goerne 2011 datiert noch aus dem Kulturpalast vor dem Umbau.) Die Mezzosopranistin verfügt über ein weitgefächertes Ausdrucksspektrum, das in Höhe und Tiefe verschiedene Charaktere ausstatten kann. Ihr Mezzo kann sich lyrisch aufschwingen oder kehlig Beklemmung andeuten – wirklich »fröhlich« sind manche der Lieder durchaus nicht, wie »Das irdische Leben«, in dem Anna Lucia Richter der vertröstenden Mutter und dem sterbenden Kind zwei unterschiedliche Stimmen gab. »Wo die schönen Trompeten blasen« dagegen wußte sie mit Vibrato ansprechend auszustatten – auch bei forcierter Dynamik blieb ihre Stimme angenehm, weder laut noch schrill – wirklich schön!
Mit Felix Mendelssohns »Reformationssinfonie« wandte sich das Programm dann dem Feiertag zu oder bezog sich zumindest auf ihn – ein »Reformationskonzert« war es natürlich nicht. Gerade den Ecksätzen gab Vasily Petrenko eine bildhafte Gestalt, so als entstünde die »feste Burg« nicht nur in Mendelssohns Musik, sondern als schiene die aufgehende Sonne auch über ihre Zinnen. Manche Dämpfung, Weichzeichnung, gerade in den Binnensätzen, nahm dem Werk aber die Konturen, punktierte Betonungen oder Flötensoli wirkten dann nicht, als seien sie eingebunden, sondern als schwebten sie über dem musikalischen Fundament. Im letzten Satz gewannen die Umrisse jedoch wieder an Klarheit, das Finale wandelte sich mehrfach und steigerte sich schließlich ins majestätische.
1. November 2020, Wolfram Quellmalz
Der Spielbetrieb der Dresdner Philharmonie soll im Dezember wiederaufgenommen werden. Für die augenblicklich abgesagten Veranstaltungen sind neue Termine in Vorbereitung. Aktuelle Informationen finden Sie unter: https://www.dresdnerphilharmonie.de