Sächsische Staatskapelle empfing Julia Fischer
Eigentlich hätte das Konzert heute (Dienstag) stattfinden sollen, Christian Thielemann, seine Sächsische Staatskapelle und Nikolaj Szeps-Znaider wollten Strauss, Beethoven und Schumann spielen – doch dann …
… mußten sie schnell reagieren. Abschiedsgesten oder -worte, auch »richtige«, können auf die Stimmung drücken. Insofern waren die spontane Entscheidung und blitzartige Realisierung, das Sonderkonzert vom »unmöglichen« Dienstag auf den »letztmöglichen« Sonntag vorzuverlegen und auf weitere Grußworte zu verzichten, eine goldrichtige Entscheidung und eine planerische Meistertat. Nicht zuletzt, weil der Solist kurzfristig absagen mußte – Julia Fischer sprang (noch kurzfristigster) für Beethovens Opus 61 ein. Daß sie kaum mehr als eine Probe mit dem Orchester gehabt haben wird, war jedoch nicht zu spüren.
Zu Beginn gab es noch einmal die Fanfare für Blechbläser und Pauken zur Eröffnung der Musikwoche der Stadt Wien sowie die »Wiener Philharmoniker Fanfare« für Blechblasinstrumente und Pauken von Richard Strauss. Wer das Glück hatte, beiden Konzerten beizuwohnen, empfand diese Doppelung kaum als Wiederholung – wann erlebt man solche »Schmankerl« schon? Vor allem, wenn sie derart exzellent vorgetragen werden. Ein Glanz, der Augen leuchten ließ – deshalb gab es schon für diese »Ouvertüre« ein lautstarkes »Bravi« von ganz oben aus dem Zuschauerraum.
Ludwig van Beethovens Violinkonzert als eines der letzten Werke vor der Pause ließ das Publikum dann einmal den bevorstehenden Augenblick vergessen. Majestätisch und erhaben – man kann den Beginn des Stückes auch als Gestalt lesen, als ein Erwachen, ein sich Aufrichten, ein kraftvolles »Trotz alledem!« Julia Fischers Violinton ist schlank, sicherlich graziler, als es Szeps-Znaiders gewesen wäre, doch wischte sie solcherlei Vergleichsgedanken bald mit einem Bogenstrich hinfort. Mag es ein Defizit an Proben gegeben haben, so war davon kaum etwas zu spüren. Ihre Parts beherrschen beide Partner wohl im Schlaf, Julia Fischer und Christian Thielemann konnten sich – mit Vertrauen – aufeinander verlassen. Das notwendige Mehr an Kommunikation, an Blickkontakt vielleicht, vermochten sie in einen organischen Klang umzusetzen, an Akzenten und Vitalität fehlte es dabei nicht. Auch ein »Beethoven-Fagott«, jener versteckte, besondere Moment, war zu spüren, am Ende des ersten Satzes, an dem Joachim Hans‘ Solo nach der Kadenz Julia Fischers wieder die Bindung herstellte. Das wunderbar luftige Larghetto hatte beinahe Intermezzo-Charakter …
Ein angemessen kurzes Programm, keine Pause – ohne Zugabe ließ das Publikum Julia Fischer aber nicht gehen: Johann Sebastian Bachs Sarabande d-Moll.
Wie noch eine Zugabe, aber zum Robert-Schumann-Zyklus, gab es schließlich mit Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur Opus 52 des Zwickauer Komponisten. Zwar scheint dem Werk der Hauptsatz einer Sinfonie zu fehlen, als sinfonische Dichtung jedoch erwies es sich als vollwertig. Ob man darin Mendelssohn finden mag oder Anklänge an das Konzertstück für vier Hörner – Christian Thielemann nahm es in jedem Fall ernst, ließ den nun wieder angereicherten Blechbläserapparat funkeln, schien Landschaften zu durchstreifen. »Mitnehmen«, zeigte sich danach schnell, kann man die Musik eben nicht, aber sie in Erinnerung zu bewahren hilft vielleicht ein wenig über die nächsten Wochen. Oder die Schumann-Aufnahmen der Staatskapelle.
3. November 2020, Wolfram Quellmalz
