Weltersteinspielung von Philippe Grisvard – Der besondere CD-Tip am Geburtstag des Komponisten
Es gäbe viele Gründe, Carl Friedrich Christian Fasch (1736 bis 1800) vergessen zu haben. Der Sohn des berühmten Johann Friedrich Fasch (1688 bis 1758), der in Zerbst mit Johann Sebastian Bach befreundet war, ist gleich mehrfach von anderen überstrahlt. Zunächst vom Vater (der wohl auch eine repräsentativere Position innehatte), am Preußischen Hof vom Kollegen Carl Philipp Emanuel Bach (mit dem er aber faktisch gleichgestellt war), oder von Carl Friedrich Zelter (der es mit der Berliner Singakademie zu Ruhm brachte, dennoch aber nur das fortsetzte, was deren Gründer – Fasch – angefangen hatte). Zurückhaltung und eine zuweilen extrem selbstkritische Sicht haben dem Sohn Fasch auch manchen Erfolg und die Nachhaltigkeit verwehrt – einen großen Teil seiner Frühwerke verbrannte er selbst! So bleibt der Nachwelt nur das, was bis dahin bereits ediert war, in anderer Quelle erhalten ist oder später entstand.
Mittlerweile ist die Musikwelt soweit, sich für Carl Friedrich Christian Fasch zu interessieren, ihn trotz seines Vaters, trotz Zelter oder Carl Philipp Emanuel Bach (deren Leuchtkraft unvermindert ist) wahrzunehmen. Ein paar Einspielungen hat es in den letzten Jahren gegeben, unter anderem mit Konzerten und Ouvertüren beider Faschs (Ensemble Zefiro / DHM). Der Cembalist und Pianist Philippe Grisvard zeigt uns eine andere Seite des Sohnes – jene, die in Berlin große Bedeutung hatte, denn dort war Carl Friedrich Christian als Cembalist angestellt und erlebte eine Periode des Hofes mit, in der sich unter anderem der Wandel vom Cembalo zum Pianoforte vollzog. Ein Wandel übrigens, der nicht abrupt erfolgte. Im Gegenteil waren beide Instrumente viele Jahre lang gleichermaßen geschätzt. Friedrich der II. und sein Sohn sollen allein mindestens vierzehn Pianoforte bei Gottfried Silbermann erworben haben.
Philippe Grisvard spielt jedoch keines der (vermutlich) noch drei erhaltenen Silbermann-Pianoforte, sondern ein Instrument aus der Werkstatt Johann André Steins (Augsburg, 1790). Es ist nicht nur wunderbar erhalten, es hat einen großartigen Klang, wartet mit einer konzertanten Fülle auf, die dem Cembalo nahekommt, verfügt aber auch über den typischen, filigranen Silberklang eines Pianoforte. Er allein schon kann begeistern, in seinen Stücken vermag Carl Friedrich Christian Fasch dies noch zu steigern.
Was verblüfft ist, daß es sich bei den auf der Aufnahme versammelten Stücken allesamt um Weltersteinspielungen handelt. Dazu zählen neben Sonaten und Variationen unter anderem Pièces de Charactère, von denen fünf auf der CD zu finden sind. Philippe Grisvard beginnt sie geradezu grazil mit »La Hagemeister«, dunkel, mysteriös und rätselhaft folgt »L’Antoine« – im Beiheft kann man vom Pianisten mehr darüber erfahren, wer die Damen gewesen sein mochten oder sein könnten … Ergötzliche Miniaturen sind es, die ihre Vorbilder wohl kaum diffamieren, sondern mit vollendetem Liebreiz (und dennoch vielleicht mancher Ironie) nachzeichnen.
Wunderbar verspielt und versonnen sind die Sonaten. Faschs Einfallsreichtum ist so groß wie seine Originalität – spätestens seit dem Jubiläum Carl Philipp Emanuel Bachs (300. Geburtstag 2014) beginnt man, die Eigenständigkeit seiner Zeit, die Empfindsame Epoche, stärker zur Kenntnis zu nehmen. Philippe Grisvard zeigt: Carl Friedrich Christian Fasch darf hier keinesfalls vergessen werden – »Weltersteinspielung«? Endlich!
Mit feiner Artikulation lotet Philippe Grisvard die Stücke aus, unterscheidet mit feiner Hand kantable und konzertante Sätze der Sonaten und kehrt die verschiedenen Charaktere heraus – in den Beschreibungen der Pièces ebenso wie in den Variationen.
Es ist eine erfreuliche Aufnahme, die auch technisch überzeugt. Man meint, direkt vor dem Instrument zu sitzen, kann jede Nuance verfolgen. Gleichzeitig begeistert das Stein-Pianoforte mit Farbe und Fülle, ohne daß sich der Eindruck einstellte, der Ton wäre angereichert oder »aufgefüllt«. Verspielt, freizügig, einfallsreich – nicht nur für Kenner und Liebhaber (für diese aber ganz sicher zur Freude auf dem Gabentisch).
