Zum Abschluß der Osterwoche

Dresdner Kammerchor veröffentlicht zweiten Teil des Doppelkonzertes

Mit Michael Praetorius‘ »Da Jesus an dem Kreuze stund«, Jacobus Gallus »Ecce, quomodo moritur iustus« und Heinrich Schütz‘ Matthäus-Passion hatte der Dresdner Kammerchor vor einer Woche die Karwoche in der Annenkirche festlich besungen (Übertragung im Radio, NMB berichteten), mit Schütz‘ Auferstehungshistorie (SWV 50) fand das Doppelkonzert nun im Konzertsaal der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden seinen Abschluß. Auch diesmal stellte Hans-Christoph Rademann (Leitung) dem Werk ein anderes gegenüber, Johann Sebastian Bachs Choralkantate »Christ lag in Todesbanden« (BWV 4), die der junge Komponist gut achtzig Jahre nach Schütz‘ Alterswerk verfaßt hatte.

Heinrich Schütz‘ Auferstehungshistorie mit dem Dresdner Kammerchor (Auschnitt Video), Bild: NMB

Anders als vor Wochenfrist war diesmal ein Instrumentalensemble dabei, das sich um Margret Baumgartel (Barockvioline) und Sebastian Knebel (Orgel) gruppierte. Freilich blieb Schütz in seiner Anlage, der Zeit entsprechend, die eine prunkvolle Instrumentierung nicht erlaubt hätte, schlicht. Und doch war gerade der instrumentale Schimmer, den das Gambenquartett (Juliane Laake, Júlia Vetö, Christian Heim und Frauke Hess) verbreitete, ausgesprochen berührend. Nicht nur, weil es so »schön« klang, vielmehr sorgte das Consort für eine schwebende Gesanglichkeit um den erneut sanft und lyrisch erzählenden Evangelisten Georg Poplutz.

Bei Heinrich Schütz wird weniger das Geschehen vordergründig ausgestaltet (als fände es jetzt auf einer Bühne statt) sondern deutlich die Vergangenheit (Historie) erzählend vermittelt. Und doch erfolgte dies nicht als sachlicher Bericht, sondern war von Poplutz‘ großer, gesanglicher Einfühlsamkeit geprägt. Die kleinen, kurzen Affekte, derer sich Schütz bediente, wie die Erzählung des Erdbebens, waren um so wirkungsvoller.

Neben dem Evangelisten sorgten vor allem Martin Schicketanz (Jesus / Baß) und Isabell Schicketanz (Maria Magdalena / Sopran) für eindrucksvolle Soli. Da das Konzertvideo mit überschaubarem Aufwand hergestellt wurde, also kein großes Fernsehteam vor Ort war, folgt die Kamera nicht in jedem Fall sofort den Solostimmen – der erfahrene Konzertbesucher erkannte sie aber sofort! Isabell Schicketanz‘ Sopran konnte nicht nur mit gewohnter Kantabilität bezaubern, sondern leuchtete zudem (als Maria Magdalena das leere Grab Jesu‘ entdeckt) mit dosiertem Vibrato Ängste emotional aus. Auch die Partie Jesus wächst im Verlauf des Stückes, wird von Hinwendung getragen. Das Osterwunder und die Worte der Verkündung unterstreicht Schütz dabei durch eine Posaune (Sebastian Krause).

Innerhalb der Teile der Passion trat der Kammerchor vor allem mit geteilten Stimmen der Männer und Frauen auf, bevor er dem »Victoria« des Evangelisten am Ende wieder einen Gesamtchor gegenüberstellt.

Als solche erleben konnte man den Dresdner Kammerchor noch in Bachs »Christ lag in Todesbanden« (nach Martin Luthers Osterlied) erleben. Wie Schütz‘ Historie beginnt die Kantate in der Sinfonia getragen – das Osterwunder wird erst im Verlauf verkündet. Bei den Instrumentalisten sorgten die Violinen und Gamben nun gemeinsam für besondere Farbig- und Klanglichkeit mit herrlichen Schwebungseffekten – zu Bachs Zeiten durfte Affekt und Verzierung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Dennoch hielt Hans-Christoph Rademann die Balance zwischen Inhalt, Gestus und Gestaltung, ein Gefühl des Überbietens zwischen den Werken kam nicht auf. Insofern hätte das Programm vielleicht sogar in umgekehrter Reihenfolge »funktioniert«.

Die Spannung des Werkes ging auch dann nicht verloren, wenn die Handlung am Todeszeitpunkt zu verharren schien (Duett »Den Tod niemand zwingen kund«, Isabel Schicketanz und Maria Preißler / Alt). Martin Schicketanz bewies im Solochoral »Hier ist das rechte Osterlamm« eine dramaturgische Spannweite zwischen fast tenoraler Höhe (»unser Tür«) und tiefster Baßregion beim Wort »Tod«. Dem Dresdner Kammerchor scheint es gelungen zu sein, seine Homogenität zu erhalten, dabei begeisterte er mit bestechender Verständlichkeit.

10. April 2021, Wolfram Quellmalz

Beide Konzerte können nachgehört (Teil 1) und nachgesehen (Teil 2) werden. Zur Radio- und Videoaufzeichnung gelangen Sie über die Seite des Dresdner Kammerchores, der sich noch über Unterstützung für seine Projekte bei Startnext freut. Weitere Informationen unter: http://www.dresdner-kammerchor.de

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