Konzert von Albrecht Mayer am Dienstag wegen Gewitter abgebrochen
Es hatte so schön begonnen – der Stallhof ist ein attraktiver neuer Platz für ein Konzert der Dresdner Musikfestspiele, ringsum läuteten die Turmuhren von Schloß, Hofkirche und Frauenkirche zur vollen Stunde – nacheinander geordnet selbstverständlich! Den Hubschrauber ließen Albrecht Mayer (Oboe) und Boris Giltburg (Klavier) vor Beginn noch passieren, erst dann legten sie los. Als sich später ein Gewitter näherte, unterbrach der Veranstalter jedoch vor dem letzten Stück und sagte den Rest schließlich ab – schade, zum Verharren unter den Säulengängen wären die Besucher sicher bereitgewesen!
Begeistern können der eloquente Albrecht Mayer und Boris Giltburg auf unwiderstehliche Art, zuvörderst natürlich musikalisch. Mayer hat eben sein zweites Mozart-Album herausgebracht. Dem Komponisten spürt er seit langem nach und fand manches bislang verborgene Werk (meist jedoch anderer Komponisten als Mozart). Da überrascht es auch nicht, wenn er außer den auf den zwei Platten versammelten Titeln noch weitere im Repertoire hat, wie die Violinsonate e-Moll (KV 304). Und noch in dieser Adaption zeigt sich Mayers Kennerschaft und Musikbewußtsein: die Sonate paßt wunderbar auf sein Instrument, bleibt bei feiner Phrasierung geschmeidig, vom »Paarlauf« der ersten Takte, in denen beide Instrumente der gleichen Melodielinie folgen, bis zum charmanten Dialog des zweiten Satzes. Auch im Klang hatten die beiden Musiker das Werk aus der Kammer in den Schloßhof geholt, schien die Sonate doch ein wenig (sehr angemessen) gewachsen.
Wer sich hier noch nicht erfrischt fühlte, erfuhr dies spätestens jetzt, denn nun folgten zwei Paraphrasen bzw. Phantasien nach Opernmotiven. Louis Klemcke dürfte zuvor kaum jemand gekannt haben. Der Schweriner Komponist hatte über »Linda di Chamounix« phantasiert, was Mayer und Giltburg zu elegantesten Bögen und virtuosen Koloraturen der Oboe anregte – eine famose Überraschung! Zuvor hatte Boris Giltburg, derweil sein Partner Atem schöpfen durfte, Franz Liszts Rigoletto-Paraphrase zum Entzücken des Publikums dargeboten. Auf die leichthin plaudernde Einleitung ließ er bald die Themen sprudelnd – selbst über die Tasten tobend wahrte er eine grazile, noble Tonfärbung, Musik statt effektbetontem Theaterdonner.
Der – Donner – näherte sich jedoch während Frédéric Chopins erster Ballade (die allerdings auch von munterem Vogelgezwitscher aufgefrischt wurde), die das letzte Zwischenstück hätte sein sollen. Auch sie zeugte von solch großer Kunst und Spannweite. Boris Giltburg kristallisierte den erzählerischen Verlauf heraus, band die im Charakter höchst unterschiedlichen Episoden zu einem erzählerischen Ganzen, als die ersten Tropfen fielen. Die beunruhigten zunächst niemanden, schließlich warteten alle auf Beethovens »Frühlingssonate« in neuer Fassung, doch dazu kam es nicht mehr. Chopin war ein großartiger, aber früher Abschluß.
9. Juni 2021, Wolfram Quellmalz

CD-Tip: Eben neu erschienen – Albrecht Mayer (Oboe), Vital Julian Frey (Leitung), Deutsche Kammerphilharmonie Bremen »Albrecht Mayer – Mozart (Werke für Oboe & Orchester)«, erschienen bei Deutsche Grammophon