Classic Open Air vor der Frauenkirche
Zum siebenten Mal veranstaltete Sopranistin Barbara Krieger das Classic Open Air vor der Frauenkirche. In diesem Jahr kooperierte sie dabei mit den Dresdner Musikfestspielen. Die einen haben Nachholbedarf, die anderen eine Bühne vor der Frauenkirche – warum nicht beides gewinnbringend vereinen?

Nach dem Dresdner Festspielorchester am Vortag war Sir Bryn Terfel am Sonnabend die »zugkräftige Nummer«. Zweiter Stargast war Barbara Krieger selbst, die von Terfel jedoch mitunter deutlich überstrahlt wurde. Allerdings ist es wohl schwer, neben ihm zu »leuchten«, denn der Waliser Baßbariton singt und spielt mit jeder Faser seines Körpers, wie sich gerade im zweiten Konzertteil zeigte.
Begonnen hatte der Abend mit Wagner. Die Junge Philharmonie Berlin spielte unter Leitung von Marcus Merkel Vorspiele aus Tristan, Lohengrin und dem Fliegenden Holländer, Dreh- und Angelpunkt war aber schon hier der Sir, der stimmlich eindrucksvoll drohen, poltern, zürnen kann (was er mit Mimik noch ergänzt). Sein Holländer-Monolog (»Die Frist ist um«) ging unter die Haut – ein guter Einstieg für Wagner-Neulinge, machte er doch deutlich, daß sich hier nicht nur Verzweiflung und Unmut Bahn brechen, sondern daß da ebenso ein um Liebe ringendes Herz schlägt. Zudem kann man bei Bryn Terfel jede Silbe verstehen. Zuvor hatten Terfel und Krieger die Tristanischen Wogen verdichtet, Kriegers »Mild und leise« (Isoldes Liebestod) zu folgen, war indes schwieriger.
Im zweiten Teil wurde es dann populärer, aber nicht beliebig. Die mit Palastfassade und farbigem Licht geschmückte Bühne wollte auch ein bißchen Show. Und die kam, mit Stücken von Anatevka bis Gershwins »Porgy and Bess«, worin sich Barbara Krieger und Bryn Terfel in Duetten steigerten. Mehr noch in einer der drei Zugaben – gerecht aufgeteilt für jeden eine und schließlich gemeinsam »Anything You Can Do, I Can Do Better« (Alles, was du kannst, kann ich viel besser aus »Annie get your gun von« Irving Berlin).
Das Open-Air-Fest hatte mit dem Wetter Glück – wie eigentlich immer am Töpfermarkt-Wochenende kam der Spätsommer zurück. Nur reichlich kühl wurde es, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Daß diese gut blieb, dafür war mit Catering ringsum vorgesorgt wie auch – ein Markenzeichen von Classic Open Air in Dresden – mit Offenheit. Während andere Sichtbarrieren aufbauen, sind Zaungäste in Dresden durchaus willkommen. Oder künstlerische: Weils am Vortag so schön war, tauchte Freitags-Solist Jan Vogler noch flugs mit dem Cello für eine Schwan-Einlage (aus dem »Karneval der Tiere« von Camille Saint-Saëns) auf.
Und der Höhepunkt? Eines von Bryn Terfels Lieblingsstücken (neben walisischen Liedern): »Son lo spirito« aus Arrigo Boitos »Mefistofeles«, mit dem er – auf zwei Finger pfeifend – das Publikum zu einem ganzen Pfeifkonzert (der Begeisterung) ermunterte.
5. September 2021, Wolfram Quellmalz