Musizierstunde mit Unbekanntheiten

Ensemble Con Moto stellt Musik aus dem Schranck No. II vor

Ob Profis, semiprofessionelle Künstler oder ambitionierte Laien, in der Notensammlung von »Schranck No. II«, findet sich für beinahe jeden etwas. Virtuose Concerti von Antonio Vivaldi oder Johann Friedrich Fasch, entdeckenswerte Sonaten oder Suiten von František Jiránek oder Christian Petzold – Schranck No. II hielt für jeden Geschmack und jedes Instrument etwas bereit. Ein nicht zu unterschätzendes Potential schlummert unter den vollkommen unbekannten Stücken, oder, wie Barockviolinistin Constanze Walzer meint: der fleißigste Vielschreiber war nicht etwa Vivaldi, auch nicht Telemann, es war »Anonymus«.

Offenbar war er nicht nur ein Vielschreiber, sondern ebenso vielseitig, denn unter »Anonymus« befinden sich neben italienischen Concerti französische Suiten und weitere Stücke – der Dresdner Hof war offen und neugierig. Zwar lag ein Schwerpunkt auf der italienischen Musik, doch auch französische oder englische Komponisten oder Virtuosen waren zu Besuch (oder wurden besucht). Der sogenannte »vermischte Stil« wurde prägend für die Hofkapelle und ihre Akteure.

In zwei Konzerten stellte das Ensemble Con Moto (außer Initiator Harald Schäfer / Cembalo und Constanze Walzer noch Anne-Kathrin Ludwig / Traversflöte und Christoph Müller / Barockfagott) am Sonnabend in der SLUB und am Sonntag in der Kulturschlosserei vier der anonym hinterlassenen Werke vor. Vor allem italienische und französische Klänge waren dies, was aber über die Herkunft des Komponisten nichts aussagen muß (schließlich hat Johann Sebastian Bach auch ein Italienisches Concert geschrieben). Es wurde eine vergnügliche, gediegene Musizierstunde, irritierend blieb allein, daß die Werke eben keinem Komponisten zugeordnet werden können, sondern allein durch ihre Katalognummer bezeichnet werden. Nicht nur die Quartette aus D-DI Mus.2-Q-21, mit eleganter Phrasierung der Flöte und dynamischer Gestaltung der Violinstimme vorgetragen, sind weitere Entdeckungen wert – im kommenden Jahr gibt es vielleicht mehr aus der Serie zu hören. Die tänzerische Triosonate Mus.2-Q-2,10, im Grunde eine Suite, erinnerte im Menuett ein wenig an Bach, seine Badinerie hätte sich hier gut eingefügt.

Die frühere Notensammlung der Dresdner Hofkapelle gehört heute zum Bestand der Sächsische Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. Sie kann sogar digital eingesehen werden. Direkt aus den Noten zu spielen, ist in vielen Fällen dennoch nicht ohne weiteres möglich, denn oft wurden die Werke in großer Eile kopiert, zum Beispiel, wenn ein Künstler nur kurz in Dresden weilte oder wenn ein Musiker der Kapelle sie unterwegs abschrieb. Neben ausgelassenen Takten in den Stimmen, vor allem der Begleitung, ist die Schrift mitunter schwer lesbar. Harald Schäfer hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Werke aus dem Schranck No. II zugänglich zu machen. In seiner Edition MusanKo stehen die von ihm bereits übertragenen (und korrigierten bzw. ergänzten) Werke frei für jedermann zur Verfügung. Daß das nicht nur für Profis lohnt, sondern auch für jene, die im Hauptberuf etwas anderem nachgehen, hat das Ensemble Con Moto am Wochenende bewiesen.

13. September 2021, Wolfram Quellmalz

Weitere Informationen unter: http://www.musanko.de/ oder http://www.ensemble-con-moto.de/

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