Das Ensemble Polyharmonique und das Baroque Orchestra Wrocław machen Heinrich Schütz zum Erlebnis
Wenn man als Thema Huldigungs- und Festmusiken wählt und diese sich dann noch auf ein Fürstenhaus beziehen, könnte man einen zwar vieltönigen, aber doch einseitigen Abend erwarten. Doch das Programm des Ensemble Polyharmonique und des Baroque Orchestra Wrocław (Leitung: Jarosław Thiel) sprengte solche Erwartungen in jeder Hinsicht. Oder unterlief sie, denn es gab weder lauthalses Jubelgeschrei zu hören noch war prahlerischer Siegestaumel in Musik gesetzt worden.
Die Texte, die unter anderem zum Einzug des Kurfürsten Johann Georg I. in Breslau 1621 sowie zum Kurfürstentag in Mühlhausen 1627 vertont wurden, greifen nicht allein Siegesgewißheit und Stolz auf, sondern auch die besten Wünsche zum Wohlergehen des Fürsten – man wünscht ihm ein langes, gesundes Leben und Weisheit, denn nur wenn sich solche Voraussetzungen erfüllen, wird der Fürst sein Land zum Wohle aller lenken und in eine Blüte führen. Daß man – nicht zwischendurch, sondern untrennbar verbunden – Gottes Macht und Gnade preist, ist ganz selbstverständlich.
Die am Sonnabend in der Heilig-Geist-Kirche Dresden Blasewitz im Rahmen des Heinrich Schütz Musikfestes präsentierten Huldigungsmusiken von Samuel Besler, Paul Schäffer, Giovanni Valentini und Heinrich Schütz hätten schöner und berührender wohl kaum sein können. Der mit jeweils doppelter Stimmbesetzung fein ausgestatte Chor des Ensemble Polyharmonique (Magdalena Harer und Joowon Chung / Sopran, Alexander Schneider und Piotr Olech / Alt, Johannes Gaubitz und Sören Richter / Tenor sowie Matthias Lutze und Cornelius Uhle / Baß) zeigte sich nicht nur von einer klangsinnlichen Seite mit bester Artikulation, sondern konnte die mehrchörigen Stücke aufs feinste ausstatten. Schon allein wußten sie reinen Wohlklang zu formen, gemeinsam berührten sie die Pforten fast überirdischer Schönheit. Die Besetzungsstärke variierte flexibel und vital, zudem war das Ensemble imstande, den Kirchenraum akustisch zu erfassen und verblüffende Effekte zu erzeugen wie ein Echo im letzten Titel, Heinrich Schütz »Herr, du bist vormals gnädig gewest« (SWV 461), das Sören Richter durch das schlichteste denkbare Mittel erreichte: mit dem Rücken zum Publikum in den Altarraum singend.
Dies Singen ging zu Herzen, berührte ganz innen, ließ kaum Atmen und schöpfte seine Spannung nicht zuletzt aus der Stille. Heinrich Schütz‘ »Herr, unser Herrscher« (SWV 449) konnte sich so in all seiner Herrlichkeit entfalten, das nachfolgende »Teutoniam dudum belli« (»Deutschland, lange schon plagen dich«, SWV 338) schwang sich mit hellem Klang immer weiter auf, bis es glitzernde Regionen erreichte.
Solch klangliche Pracht (wie auch in Paul Schäffers »Jauchzet dem Herrn alle Welt«) lebte selbstverständlich ebenso von den instrumentalen Kontrasten, die sich ebenso wandlungsfähig zeigten wie die Sängerschar. Mit Violinen und Gamben, Zinken und Posaunen und einem reich ausgestatteten Basso continuo erfüllten sich nicht nur musikalische Wünsche, hier leuchtete und frohlockte jedes Musikherz.
Ob Trost, Pracht, Bitte oder Gebet – von Beethoven ist der Ausspruch (auf die Missa Solemnis bezogen) überliefert »Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen«. Das Motto hätte durchaus auch dieser Abend des Heinrich Schütz Musikfestes für sich beanspruchen dürfen.
10. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz
Weitere Informationen und Termine zum HSMF finden Sie unter: http://www.schuetz-musikfest.de/
Zu den beiden Ensembles gelangen Sie hier:
http://www.nfm.wroclaw.pl/en/ensembles/wroclaw-baroque-orchestra