Dresdner Musikhochschule präsentiert Deutschlandstipendiaten
Jede Hochschule und Universität – nicht nur der Musik oder Künste – hat in Deutschland ein Recht auf bis zu zehn geförderte Stipendien. Sie werden zur einen Hälfte vom Staat getragen, für die andere müssen private Spender gefunden werden. Die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden konnte ihr Kontingent an geförderten Studenten nicht nur erhöhen, sondern ausschöpfen. Mehr noch: infolge einer »Überhangregelung« (weil also andere Hochschulen weniger Stipendiaten haben) sind es in diesem Studienjahr sogar elf.
Sieben von ihnen stellten sich am Montag im Konzertsaal der Musikhochschule vor. Dabei reichte die Palette der musikalischen Disziplinen von Dirigenten über Jazzmusiker bis zu Pianisten und einer Sopranistin. Das Publikum konnte damit ähnliches erleben wie die Ständige Jury der Hochschule, denn deren Professorinnen und Professoren urteilen nicht allein fachspezifisch – jeder hört alles. Die Gesangslehrerin stimmt also ebenso über Saxophonisten ab wie der Jazz-Dozent Pianistinnen hört – damit wird der Auftritt an sich, der Erlebnisaspekt zusätzlich berücksichtigt.
Und so gab es unter anderem den Dirigenten Alexander Sidoruk zu erleben – von vorn. Denn Rektor Axel Köhler fand es im Vorspiel beeindruckend, die typische Konzertsituation einmal »umgedreht« zu erleben. Alexander Sidoruk leitete das kleine Ensemble in Igor Strawinskys »L’histoire du soldat« von hinten, an der Bühnenrückwand und mit dem Gesicht zum Publikum stehend, während das Orchester den Zuhörern einmal den Rücken zuwandte.
Zu hören gab es aber auch eigene Kompositionen von Studenten (Karl Kindermann, dessen Songs Stipendiatin Evin Kücükali vortrug) oder Stipendiat Timur Valitov (Komposition und Jazzsaxophon mit eigener Band) sowie Jazz-Titel der 1983 geborenen Sophie Milman (mit Stipendiat Jan Bresan / Klavier).
An jenen Komponisten, der tief mit Dresden verbunden ist und dessen Namen die Hochschule trägt, erinnerte Pianistin Mirjam Hinrichs. In Carl Maria von Webers Allegro feroce aus der 3. Klaviersonate verband sie leichthändig die strenge Form mit Virtuosität und musikalischer Plauderei auf höchstem Niveau.
Während die Werke Carl Maria von Webers gar zu selten in Konzertprogrammen zu finden sind, darf ein Name natürlich nicht fehlen, wo Musik gespielt wird: Johann Sebastian Bach. Er ist nicht Pflichtstück in Wettbewerben und nach wie vor ein Lieblingskomponist des Publikums. Immer wieder haben sich Komponisten an ihm »abgearbeitet« (Mozart, Brahms, Schostakowitsch …), auch Musiker – Bach auf dem Akkordeon oder Saxophon zu spielen, ist nicht mehr neu. Insofern überraschten die drei Sätze aus der 3. Cellosuite mit Nikita Martynychev auf der Marimba allein wegen ihrer Besetzung noch nicht (oder nicht mehr). Viel bemerkenswerter war, daß und wie der Stipendiat Phrasierung, Dynamik und flexible Tempi mit seinem Instrument hervorbrachte.
Eine Studentin durfte gar an zwei Stellen des Programms auftreten. Keineswegs war dies ungerecht oder unangemessen – nicht wenige dürften explizit ins Konzert gekommen sein, um Anastasiya Taratorkina zu hören. Denn der Gewinn eines ARD-Musikpreises ist schon zu besonders, um ihn zu übersehen oder schnell einmal anderen Musikpreisen zuzuordnen. Erst recht dann, wenn sich die Sopranistin gegen 367 Konkurrenten durchgesetzt und mit nur drei anderen Sängern (zwei Sängerinnen und einem Sänger) im Finale gestanden hat. Dort gab es schließlich drei dritte Preise, keinen zweiten und nur einen ersten – für Anastasiya Taratorkina. Auch der Publikumspreis ging an sie – herzlichen Glückwunsch!
Mit »Quando m’en vo« (Musetta) aus Puccinis »La bohème« und »Je veux vivre« (Juliette in Gounods »Romeo et Juliette«) präsentierte sie zwei der bekanntesten Opernarien, bewies nicht nur Belcanto-Können, sondern – vom Augenaufschlag bis zum mokanten Lächeln – auch darstellerisches Talent. Stimmlich erfüllte sie alle Erwartungen mit farbiger Leichtigkeit – mit jedweder Kategorisierung sollte man so früh noch vorsichtig sein, doch Musetta und Juliette scheinen im Moment perfekt. Noch ist Anastasiya Taratorkina Studentin in Dresden – Auftrittsmöglichkeiten am Haus sollte es also noch geben.
26. Oktober, Wolfram Quellmalz