Cello und Orgel trafen sich in der Martin-Luther-Kirche
Iveta Apkalna war schon oft in Dresden zu Gast. Einer der frühesten Besuche fand bereits 2010 im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele statt. Damals spielte die Lettin überwiegend romantische und moderne Werke auf der Silbermannorgel der Katholischen Hofkirche (Kathedrale). Mit Schumann und Vasks, aber auch mit Bach gab es am Donnerstagabend ein Wiederhören in der Martin-Luther-Kirche. Diesmal kam die Organistin nicht allein: an ihrer Seite – mehr als nur ein Beitrag zur »Cellomania« der Musikfestspiele – war Daniel Müller-Schott.
Die Kombination Orgel und Violoncello scheint nach Bearbeitungen zu rufen – die gesangliche Stimme des Cellos bietet sich dafür an. Doch es gibt eine ganze Reihe von Originalwerken, wie Camille Saint-Saëns »Prière« (Gebet). Das Stück lebt von der klangsinnlichen Kombination des im Legato singenden Cellos und der für Schwebung sorgenden Orgel. Für den Anfang des Programms hatte die suggestive Kraft des Stückes eine bannende Wirkung, ein wenig dominant schien das Violoncello dennoch. Vielleicht lag es daran, daß Daniel Müller-Schott eine emotionale Auffassung oder Ausdeutung bevorzugt. Dies zeigte sich später noch in Johann Sebastian Bachs Suite für Violoncello Nr. 3, die mit süffigem Baß und feiner und bebender Oberstimme durchaus romantische Anklänge barg – ansprechend!
So wie Daniel Müller-Schott hatte auch Iveta Apkalna ihr Solostück, das sie auf der Jehmlich-Orgel spielte: Vor Bach erklang mit der Fantasia für Orgel solo g-Moll ihres Landsmanns Alfrēds Kalniņš ein wandlungsfähiges Werk, mit dem Iveta Apkalna gleich viele ihrer Fähigkeiten (oder Eigenschaften der Orgel) präsentieren konnte. Aus einem kraftvollen Baß erhoben sich zunächst sinfonische Klänge, die immer filigraner werdende Melodie führte in eine verspielte, detailreiche Ornamentik. Im Verlauf teilweise rhapsodisch, gab es nach dem sinfonischen Beginn schließlich die Vielfarbigkeit des vollen Orgelwerkes zu spüren.
Für den romantischen Anschluß nach Saint-Saëns hatte zuvor Gabriel Faurés Romance en la Majeur pour violoncelle et organe gesorgt. Anders als noch zu Beginn waren nun beide Instrumente klanglich näher zusammengerückt, so daß die Cellostimme aus der Orgel aufzutauchen schien. Nicht nur in der Abwechslung der Werke an sich, sondern auch in den Rollen der beiden Instrumente lag der Reiz des Programms.
Zu den sicher reizvollsten Stücken gehörte Pēteris Vasks »Abendmusik«. Aus einem Unisono entwickelten beide Spieler zarte, pastellene Piani. Die Orgel schien das Cello hier am innigsten zu umarmen. Doch die Ausgewogenheit war so groß, daß sich Stufungen und Übergänge perfekt ins Bild fügten – solange das Violoncello noch spielte, war es eben noch zu hören. Erst mit dem Ende seiner Stimme setzte das Orgelcrescendo ein. Auf den Höhepunkt folgten kleine Figuren, dem Vogelgezwitscher ähnlich, freilich mäandert das Werk dann ein wenig und scheint (im Vergleich zum starken Beginn) nur über Umwege ans Ziel zu gelangen, was aber am Stück und nicht an den Ausführenden lag.
Mit vier der »Sechs Stücke in kanonischer Form« (oder auch »für den Pedalflügel«) von Robert Schumann schloß sich gewissermaßen eine Klammer des Abends. So recht befriedigen konnte die Bearbeitung bei aller Romantik dennoch nicht, fehlt ihr doch die rhythmische Prägnanz, im romantischen Sog verschwamm gerade das Adagio. Interessanter, persönlicher und »griffiger« schien die Zugabe, das Andante aus der Gambensonate Nr. 1 von Johann Sebastian Bach – in beiden Instrumenten umbesetzt mußte man hier natürlich umdenken, doch die Annäherung der beiden Partner gelang.
21. Mai 2022, Wolfram Quellmalz