Mit Nachdruck

Ton Koopman und das Amsterdam Baroque Orchestra beim Bachfest Leipzig

Mittlerweile ist das Bachfest Leipzig bei den Konzerten über Nr. 100 angekommen – die ganze Innenstadt scheint erfüllt von der Musik Johann Sebastians. Und von der anderer – »Söhne und Väter« sind ebenso zu erleben.

»Tastenrausch« hieß es gestern (Nr. 93) im Mendelssohnsaal des Gewandhauses zu Leipzig, wo sich mit Ton Koopman, Tini Mathot, Patrizia Marisaldi und Edoardo Valorz vier Cembalisten zusammenfanden. Auf dem Programm standen historische Bearbeitungen oder besser Umarbeitungen von Werken, die ursprünglich für eine andere Besetzung geschrieben waren. Die rhythmische Prägnanz, in die sich die Cembalisten à 2, 3 und 4 steigerten, betonte jedoch meistens die technische Struktur der Musik und gemahnte damit oft an das doch eigentlich überkommen geglaubte Klischee des »Nähmaschinenklangs«, den man Cembali einst unterstellte.

Gleich das Konzert für drei Cembali, Streicher und Basso continuo (BWV 1064 mit Koopman, Mathot, Marisaldi) war stark in einem Metrum getrieben; aus den Soli der Mittelteile indes schien ein filigran-silbriger Klang aufzuleuchten. Immerhin floß das Allegro harmonischer als der stürmische Beginn.

Mit den Konzerten für zwei (BWV 1062, Mathot / Marisaldi) und drei Cembali (BWV 1063, Koopman, Mathot, Marisaldi) kehrten Ton Koopman und das Amsterdam Baroque Orchestra zudem elegante Saiten – gestrichen oder gezupft – hervor. Dennoch trat hin und wieder die strukturelle Mechanik unangenehm hervor, wie in einem Triller Ton Koopmans (erster Satz in BWV 1063), der schlicht hämmernd klang. Doch nicht allein in den Cembali oder Tempi lag die Ursache der »maschinellen Neigung«, selbst im Baß klang es zuweilen repetierend derb und wuchtig.

Galanter, eleganter wurde es nach der Pause mit Carl Philipp Emanuel Bachs Konzert F-Dur (Wq 46), das dem bisherigen Instrumentarium nicht nur zwei Hörner hinzufügte, sondern auch die Streicher auf maximaler Besetzungsstärke wachsen ließ, wobei die Hörner vor allem mit affektiven Stößen (bzw. kurzen Noten) auffielen denn mit galanten Kantilenen. Obwohl Ton Koopman die Tempi hier besser wählte, waren die rhythmischen Betonungen (Synkopen), nicht nur der Bässe, sondern ebenso der Tuttistreicher vergleichsweise kräftig (oder heftig, je nach Empfinden).

Insofern blieb das Konzert für manche Musikfreunde, zumindest für Freunde der Galanterie, etwas schuldig. Und noch der italienische Geist aus Antonio Vivaldis Concerto RV 580 (für vier Violinen), welches Johann Sebastian Bach für vier Cembali bearbeitet hatte (Schlußstück des Abends: BWV 1065) war von der Struktur überprägt, der die italienisch-luftige Leichtigkeit vermissen ließ, selbst wenn man Präsenz und Inhalt bewundern konnte.

17. Juni 2022, Wolfram Quellmalz

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