Alessio Allegrini brilliert erneut im Konzert beim Moritzburg Festival
Nach seinem sagenhaften Mozart-Auftritt am Donnerstag legte der italienische Hornist Alessio Allegrini gestern gleich noch einmal nach – mit einem Landsmann, den er als »Wunschmusik« ins Programm gebracht hatte: Luigi Cherubini, der als Name dem Musikfreund wohlbekannt ist, meist jedoch eher durch die Literatur (oder Kritik) schweift als daß er gespielt wird, kam mit gleich zwei Sonaten zu Ehren – sonst hört man, wenn überhaupt, eher Messen oder andere Kirchenmusik von ihm.

Dabei lohnt es – zeigten die Beispiele –, bei den kleinen Stücken zu verweilen. Die Sonate befand sich, nicht nur auf dem Klavier oder in der Besetzung für Violine und Klavier (bzw. umgekehrt) am Anfang des 19. Jahrhunderts immer noch im Wandel. Bei Cherubini bestehen sie aus jeweils zwei einzelnen, kürzeren Sätzen für Horn und Streichquartett, wobei die Gewichtung schon recht unterschiedlich ist: während die erste, Larghetto, dem Horn (ähnlich einem wehmütigen Andantino) eindeutig den Vorzug gab, setzte das Streichquartett in der zweiten, Largo – Allegro moderato, erst wohltuende, kontrapunktische Akzente, bevor das Quintett, sich gegenseitig beflügelnd, eine kleine Jagdszene am Jagdschloß heraufbeschwor. (Hatte ich am Vortag schon die Vokabel »superb« verwendet? Schade! [Der Konzertbericht vom Donnerstag erscheint zunächst in der Tageszeitung und wird Anfang der Woche auf dieser Seite nachgereicht. Anmerkung der Redaktion.])
Als Konzerteinleitung, Ouverture, Sinfonia waren die beiden Stücke ergötzliche Entdeckungen, blitzsauber und fein artikuliert vom Meisterhornisten, aber nicht weniger generös vom Quartett (Kevin Zhu und Mira Wang / Violinen, Ulrich Eichenauer / Viola, Guy Johnston / Violoncello) vorgetragen. Es stellte sich sogleich die Frage, wer denn das Tor zur Romantik in der Musik aufgestoßen habe – vielleicht waren es weder Franz Schubert noch Ludwig van Beethoven, sondern der zehn Jahre zuvor geborene Luigi Cherubini? [Sein Requiem C-Dur scheint diese These zu stützen. Wir versuchen, die Rezension der CD des Collegiums 1704 baldmöglichst nachzureichen. Anmerkung der Redaktion.] Zumindest ist er ein Kandidat für eine stimmungsvolle Ausgestaltung der nächsten Jane-Austen-Verfilmung. Unabhängig davon jedoch kann man nur hoffen, daß Alessio Allegrini in den nächsten Jahren wieder eingeladen wird und neue Ideen bzw. Programmwünsche mitbringt!
Nachdem die NMB noch am Mittwoch zur »Langen Nacht der Kammermusik« mit der Moritzburg Festival Akademie den Mut festgestellt hatten, nicht nur Werke von Alfred Schnittke und Markus Stockhausen zu spielen [unsere online-Rezension demnächst dito], sondern zudem sehr experimentelle, was es im Hauptprogramm kaum noch gäbe, war dort sogleich (allerdings vorab geplant und nicht als Reaktion auf unseren Kommentar) das Klaviertrio von Alfred Schnittke zu finden. Tiffany Poon (Klavier), Nathan Meltzer (Violine) und Bruno Philippe (Violoncello) erweckten mit dem Werk, in dem so vieles (nach)klingt, von Gustav Mahler und Alban Berg bis zur Minimal Music, eine wehmütige, brüchige Melancholie – Violine und Klavier verbanden sich, scheinbar vom Violoncello »gestört« – kaum etwas an dem Stück scheint nicht fragil oder flüchtig!
Mit Antonín Dvořáks Klavierquartett Nr. 2 in Es-Dur (Opus 87) holten nach der Pause Kevin Zhu (Violine), Matthew Lipman (Viola), Jan Vogler (Violoncello) und die unglaubliche Lise de la Salle (Klavier) eines der Jubiläumsstücke (auch auf der neuen Moritzburg-CD) auf die Bühne. Der Verbund des Quartetts gelang dabei ungemein innig, nicht zuletzt dank der exzellenten Klanggestaltung auf der Bühne (mit Verstärkung, die man jedoch nicht bemerkt). Das erlaubt den Stimmen hier und da auch einmal den Vortritt, wie der sonoren, edlen Viola des immer glänzend aufgelegten Matthew Lipman. Das Quartett spürte Dvořáks süßen Kantilenen nach, verband sich aber darüber hinaus in süffigen Verschlingungen. Lise de la Salle hat schon vor einigen Jahren ein immenses Niveau erreicht, welches sie in ihren Anfängen – allen Könnens zum Trotz – so noch nicht zu bieten vermochte. So kann sie auf dem Klavier artikulieren, es eben nicht nur perlen lassen (was auf die Dauer langweilig wäre), und ist außerdem immer öfter das verbindende Element in Kammermusikformationen. Mit einem beherzten Finale endete ein schöner Konzertabend. Der Sonnenuntergang kündete bereits vom nächsten Tag, das Quartett weckte die Lust auf noch mehr Moritzburg – es ist ja noch nicht einmal »Bergfest«!
13. August 2022, Wolfram Quellmalz