Moritzburg Festival ist in den 30. Jahrgang gestartet
Die Terrasse hinter dem Moritzburger Jagdschloß ist die neue Normalität beim Moritzburg Festival. Keine Beschränkungen, keine Berührungsängste – im dritten Jahrgang zeigte sich das Bühnenzelt zum Eröffnungskonzert am Sonnabend erneut von seiner besten Seite. Tom Fecher ist wieder der Meister des guten Tons und sorgt dafür, daß die Instrumente von jedem Besucherplatz aus gut zu hören sind, ohne daß ihr Ton durch die Verstärkung künstlich scheint. Das wäre auch schade, nicht nur im Fall von Stradivari, Tecchler oder da Salo, sondern ebenso beim fabelhaften neuen Bösendorfer-Konzertflügel »230 vc«. Auch der ist wieder da und blühte in den schönsten Farben, vor allem bei Robert Schumann. »Ich weiß gar nicht, ob man sich da freuen soll« meinte Festivalleiter Jan Vogler angesichts der 30. Auflage des Kammermusikfestes, die ihm schon ein wenig »gespenstisch« anmutete. Damals, erinnerte er sich, waren er und seine Mitgründer die Jungen und luden sich ältere Musiker wie Jan Voglers Lehrer Heinrich Schiff ein, nun sind sie die Älteren und laden junge Musiker ein …
So schön es auf der Terrasse (ohne Regen) ist – manches klingt draußen hinter dem Schloß dennoch nicht so schön wie drinnen. Die Intimität, die Innigkeit fehlt zuweilen, wie im Anfangsstück, Antonín Dvořáks »Dumky«-Trio mit Tiffany Poon (Klavier), Chad Hoopes (Violine) und Jan Vogler (Violoncello). Den langsameren Passagen mangelte es noch an Geschlossenheit, an innerem Beben vielleicht. Etwas zaghaft schien der Fluß immer wieder zu reißen. Sobald sich Dvořák jedoch in flottere Tempi warf, war die gewohnte Verve da. Mit dem Allegretto scherzando stellte sich Leichtigkeit ein.

Mit prägnanten Motiven warteten am ersten Moritzburger Abend nicht nur Dvořák und später Schumann auf, auch Ernő von Dohnányis Serenade C-Dur Opus 10 hält solche bereit. Mit dem selten gespielten Werk bereitete das Festival dem Publikum gleichzeitig wieder eine Entdeckungsmöglichkeit. Der Komponist verwendet darin eine Formenvielfalt, so wuchsen Nathan Meltzer (Violine), Sindy Mohamed (Viola) und Bruno Philippe (Violoncello) gleich im ersten Satz zu einem veritablen Consort zusammen, später jubelten sie fugiert durch das Scherzo. Ihnen gelangen aber auch klangsinnliche Zuckerstückchen, wie das von Pizzicati begleitete Lied der Viola (Romanza. Adagio non troppo, quasi andante), und die Piani schwebten wundersam. Das abschließende Allegro vivace stob schließlich erregt in den Abendhimmel.
Mit dem Klavierquintett Opus 44 in Es-Dur von Robert Schumann gab es nach Dvořák gleich noch einen Moritzburg-Klassiker. Bruno Philippe war hier für Guy Johnston eingesprungen, der – leicht erkältet – dem Festival sicherheitshalber noch zwei Tage fernleibt. Zum Quintett zählten außerdem Sindy Mohamed, die eben noch Triopartnerin gewesen war, sowie Karen Gomyo, Chad Hoopes (beide Violine) und der großartige Andrea Lucchesini (Klavier). In Sachen Anschlag und Artikulation macht ihm so schnell niemand etwas vor – Schumanns subtile Schatten konnten davon nur profitieren. Noch in (scheinbaren) Nebenstimme offenbarten sich aber auch Verzweigungen, wie in der schönen Antwort der Viola auf den Gesang des Cellos (1. Satz). Raffiniert und faszinierend war die spannungsvolle Dichte des Quintetts gerade im In Modo d’una Marcia. Un poco largamente, dem Karen Gomyo den herben Charme der Führungsstimme hinzufügte. Das lebensvolle Finale leuchtete noch einmal mit pianistischen Figuren.
7. August 2022, Wolfram Quellmalz
Das Moritzburg Festival dauert noch bis zum 21. August. Heute: Lange Nacht der Kammermusik mit Teilnehmern der Moritzburg Festival Akademie.