Silbermann-Gesellschaft präsentierte Spinett
Am Sonntag durfte sich die Gottfried-Silbermann-Gesellschaft e. V. über die Wiedereinweihung eines Spinetts nach historischem Vorbild freuen: das 1978 vom Baseler Martin Scholz gebaute Instrument hatte sich konsequent bis ins Detail an das Vorbild Johann Heinrich Silbermanns gehalten. Bisher in Privatbesitz der Nachfahren des früheren Eigentümer und Initiators, kam es erst kürzlich in n die Hände der Silbermann-Gesellschaft. Der zu Rate gezogene Experte aus Basel erkannte zu seiner Freude das Individuum wieder: die Kopie des Spinetts hatte sein Lehrmeister vor über vierzig Jahren angefertigt. Allerdings war es zuletzt wenig gespielt worden, mußte etwas überarbeitet und neu gestimmt werden.

Vom Resultat konnten sich viele Zuhörer am Sonntagnachmittag überzeugen. Das Konzert war witterungsbedingt vom Kreuzgang des Freiberger Doms in die Annenkapelle verlegt worden. Jan Katzschke erläuterte zunächst manches zur Bauform: dreieckig angelegt, spart es einerseits Platz, der Spieler sitzt im Gegensatz zum Cembalo vor dem Saitenrahmen und dem als Klangspiegel fungierenden Deckel – er hat selbst also mehr vom Klang.
Der Erbauer Johann Heinrich Silbermann mag uns heute nicht so berühmt erscheinen wie sein Vater (Andreas) oder Onkel (Gottfried), die berühmte elsässischen bzw. sächsischen Orgelbaumeister. Vermutlich hat Johann Heinrich bei seinem Onkel einige Lehrzeit verbracht. Später spezialisierte er sich jedoch auf besaitete Tasteninstrumente, vor allem seine Spinette, Clavichorde, Cembalo d’amour wurden gerühmt und waren in ganz Europa beliebt. Allein von jenem Spinett wie dem im Konzert vorgeführten sind heute weltweit noch 15 Stück bekannt, was einer Art Serienproduktion entspricht.
Die Beliebtheit ließ sich am Sonntag nachvollziehen: Anders als Spinette sonst oft klingt dieses nicht »kleiner« als ein Cembalo. Im Gegenteil: trotz der geringen Größe weisen seine längsten Saiten fast zwei Meter Länge auf – im Verbund mit der sauberen Verarbeitung und dem hohen technischen Standard führt dies zu einem großen, konzertanten Ton. Um diesen kennenzulernen, hatte Jan Katzschke Stücke aus der Sammlung der wohl ersten deutschen (Klavier)sonaten ausgewählt. Sie stammte vom Komponisten, Rechts- und Universalgelehrten Johann Kuhnau, der in Leipzig zudem Johann Sebastian Bachs Vorgänger war. Gottfried Silbermann soll ihn nach seiner Rückkehr aus dem Elsaß als ersten aufgesucht haben.
Die Auswahl traf es wohl perfekt, denn so konnte sich das Instrument quicklebendig und vielfarbig zeigen. Es zeigte sich: Kuhnaus Erfindungs- und Empfindungsreichtum war wohl unübertroffen, förderte galantes (Suomata seconda), kunstvoll-silbrig glitzerndes (Suomata sesta) und elegantes (Suomata prima) zutage. Großartig und prächtig, geradezu volltönend wogte die Suomata terza durch den Raum. Hochinteressant waren – ob fugiert oder nicht – der strukturell-metrische Aufbau der Sonaten.
Kuhnau war wie gesagt ein Universalgelehrter, und so hätte sich das Konzert sicher auch mit einer Betrachtung der Sterne verbinden lassen – eine spätere Abendstunde und ein freier Himmel vorausgesetzt. Die Silbermann-Gesellschaft bot ein anderes Gegenüber auf: mdr-Moderator Axel Thielmann las Kapitel aus Johann Kuhnaus vergnüglichem Roman »Der Musicalische Quack=Salber«, in der ein gestellt »italienischer« Musikus nach vielen Flunkereien schließlich doch als Hochstapler enttarnt wird.
Johann Heinrich Silbermanns Spinett ist gewiß keine Hochstapelei. Bleibt zu hoffen, daß es künftig wieder zu hören sein wird.
3. Oktober 2022, Wolfram Quellmalz

CD-Tip: Johann Kuhnau »Frische Clavier-Früchte. Sieben Suonaten von guter Invention und Manier auff dem Claviere zu spielen (Leipzig 1696)«, Jan Katzschke (Cembalo), erschienen bei CPO