Junges Sinfonieorchester Dresden mit vier Uraufführungen
Die Konzerte der Schülerinnen und Schüler des Landesmusikgymnasiums im Konzertsaal der Musikhochschule gehören längst fest in den Kalender. Sie bieten gleich mehrere Begegnungsmöglichkeiten: mit künftigen Solisten, mit Repertoireseltenheiten, dabei darf sich das Junge Sinfonieorchester Dresden (JSO) stets von vielen Seiten zeigen, sprich: auch im Ensemble gibt es Solisten, treten Instrumentengruppen hervor. Daß dabei die Qualität gewahrt bleibt und kein simples »jeder darf einmal« gilt, gehört wohl zu den Erfolgsfaktoren der Konzerte, die stets zweimal stattfinden. Am Wochenende war es wieder soweit: Sonnabendabend und Sonntagvormittag waren die Türen für Begegnungen offen, diesmal sogar noch eine mehr, denn es gab vier Uraufführungen zu hören, die in der Kompositionswerkstatt (Prof. Marc André) entstanden sind. Die Werke wurden – wie alle Stücke des Abends – im Programmheft von Schülern selbst angekündigt und besprochen.

Konzert des Jungen Sinfonieorchesters Dresden am 13. November in der Dresdner Musikhochschule, Photo: Sächsisches Landesgymnasium für Musik, © Kirsten Lassig
Insgesamt waren dunklere, manchmal düstere Werke in der Überzahl, wobei für Aufhellungen gesorgt war. Antonín Dvořáks »Mittagshexe« greift einen böhmischen Sagenstoff auf, freilich ist er aus heutiger pädagogischer Sicht durchaus fragwürdig. Das JSO gestaltete die tragisch (mit dem Tod) endende Geschichte jedoch äußerst pittoresk – ein Merkmal, das noch mehrfach in den Bildern oder rhapsodischen Erzählsträngen der Werke hervordrang.
Mittelpunkte gab es diesmal gleich mehrere. Die Uraufführungen erklangen im etwas überreich von Dirigent Eckehard Stier moderierten Konzert jeweils im Wechsel mit den überlieferten Stücken. Vielleicht hätte man dieses Prinzip sogar noch mehr aufweiten sollen, denn die beiden Miniaturen von Richard Plate haben keinen direkten Bezug zueinander und sind höchst unterschiedlich geraten. Vor allem die erste, mit melancholischen Streichern eröffnende, beeindruckte dabei. Kurzfristig steigerte sich der Ausdruck in erregtem Vibrato, der knappe Schluß (fast ein Bruch) schien ungreifbar – reizvoll! Die Wirkung wäre vielleicht als solitäres Stück noch größer gewesen, oder bei umgekehrter Reihenfolge? Die zweite der Miniaturen, deutlich von Leonard Bernstein inspiriert, folgte rhythmischen Strukturen und förderte klar den Spaß-Faktor, nicht zuletzt für die Spieler.
Die Komponistin Yufang Fan bot mit »Reise« ein stimmungsvolles Werk, an dessen Uraufführung sie selbst noch als Spielerin (Klavier) beteiligt war. So weit wie die Schülerin den Begriff der Reise faßt (vom Unterwegssein bis zur Übertragung auf den Lebensweg), so vielfältig sind die Klänge, die sie erdacht hat. Mit Flöten und Schlagwerk beginnend, wurde das ganze Orchester zum Erzähler – deutbar in verschiedenen Ebenen bis hin zur romantischen Eisenbahnfahrt.
Mit »Gier« von Bundespreisträger (Jugend komponiert) Damian Bahrke gab es noch eine ganz andere Wendung, einen dritten Aspekt des Komponierens, eine Offenheit hin zum Experiment bzw. zur Studie. Der Komponist arbeitet mit elektronischen Zuspielungen und Verfremdungen, welche Veränderungen bestehender (melodiöser) Strukturen verdeutlichten. Die Offenheit lag hier ebenso beim Orchester, welches das Programm, also auch die neuen Stücke, in einer Woche intensivster Arbeit aus der Taufe gehoben hat.
Natürlich durften solistische Präsentationen nicht fehlen. Antonín Dvořák kam mit seinem Rondeau für Violoncello und Orchester g-Moll (Opus 94) noch einmal zum Zuge, Camille Saint-Saëns‘ Introduktion und Rondeau capriccioso setzte dem Programm ein virtuoses Sahnehäubchen auf. Nachdem Henrike Körner (Violoncello) den herben Charme Dvořáks betont hatte, sorgte Helene Freytag kurz vor Schluß für einen glitzernden Lichtreflex. Sie begeisterte nicht nur mit sicherer Intonation, sondern vitaler Spritzigkeit.
Daß Herbheit oder Melancholie durchaus schön sind, hatte das JSO zuvor bereits mit John Coriglianos »Elegy« bewiesen. Mit »Aus Böhmens Hain und Flur« von Bedřich Smetana wurde es im Finale noch einmal deutlich heller.
13. November 2022, Wolfram Quellmalz