Knabenchor des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden führt Weihnachtsoratorium auf
Ein Advent »wie früher« – jede Woche gibt es Konzerte, Musik, Vespern, Andachten, hat man die Wahl zwischen verschiedenen Versionen des Weihnachtsoratoriums. Ganz oder nur die Kantaten 1 bis 3, eher in romantischer Auffassung oder historisch informiert? Wer in Dresden lebt, hat solch luxuriöse Aussichten. Sie sind das Resultat einer langen Entwicklung, in der sich viele Künstler und Kulturschaffende in der Stadt niedergelassen haben – möge es so bleiben!

Weihnachtsoratorium in der Dresdner Annenkirche, Photo: Knabenchor Dresden
Neben dem Vorteil der Wahl (für das Publikum) folgt daraus jener der Flexibilität (der Veranstalter und Künstler). Zum Beispiel, wenn – wie im Moment – die Zahlen derer, die mit Erkältungskrankheiten oder Grippeinfekten nicht einsatzfähig sind, steigen. Matthias Jung ist nicht nur Leiter des Knabenchores am Heinrich-Schütz-Konservatorium Dresden (HSKD), er leitet darüber hinaus ein eigenes Ensemble. Somit konnten am Sonnabend in der Annenkirche die Lücken des dezimierten Knabenchores mit Sängern und diesmal auch Sängerinnen des Sächsischen Vocalensembles geschlossen werden. Damit war die Basis für die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium (Kantaten 1 bis 3) gegeben. Auf Seiten der Solisten gab es ebenfalls einen Wechsel: Marie Bieber (Alt) war kurzfristig für die erkrankte Annekathrin Laabs eingesprungen. Dem geschlossenen Bild tat dies keinen Abbruch. Knabenchor wie Solistenquartett konnten gleichermaßen überzeugen, in individueller Stimmausprägung ebenso wie im jeweiligen Verbund. Darüber hinaus spürte man wieder einmal: musizieren, singen macht Freude!
Für instrumentalen Glanz sorgte die Batzdorfer Hofkapelle, die – also historisch informiert – gleich zu Beginn die Pauken tönen und ein wunderbar sauberes Trompetentrio funkeln ließ. Schon hier konnte man aber den differenzierten Klang genießen und Feinheiten nachspüren, etwa wenn im Basso continuo eine Laute (Stephan Rath) führend spielte. Die Holzbläser, vor allem die Oboen bis zur Oboe da caccia, kamen ihrer »Sangespflicht« betörend nach – den ohnehin sehr kantablen Klang nutzte Johann Sebastian Bach oft, um Arien zu ergänzen und sie im Grunde zu Duetten auszuweiten. Das galt aber gleichermaßen noch für die Choräle, die – wiederum differenziert – vielfältig ausgeleuchtet wurden. Immer wieder verbanden sich Knabenchor und Orchester geradezu schwebend, so daß sich auch abseits der prächtigen Eingangschöre berührende Momente ergaben (»Schaut hin, dort liegt im finstern Stall«).
Dorothea Wagner (Sopran) blieb meist im Chorverbund und sandte von hier ihre Engelsantwort (»Fürchtet euch nicht«), später wechselte sie für das Duett mit Baß Clemens Heidrich (»Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen«) aber nach vorn. Das Quartett ergänzte Alexander Schafft (Tenor), der den Evangelisten erzählerisch belebt verkörperte. Marie Bieber schlüpfte mit ihren vergleichsweise hellen Alt scheinbar mühelos in die kurzfristig übernommene Rolle, Clemens Heidrich entwickelte eine enorme Präsenz (weniger hätte sicher ebenso genügt) und sorgte mit »Großer Gott und starker König«, nun im Duett mit der Trompete, für einen der Höhepunkte dieses Weihnachtsoratoriums.
Dem Knabenchor als Hauptakteur konnte mit Homogenität und Gestaltungskraft überzeugen, und so gelangen die Chöre und Choräle ausgesprochen geschmeidig, farbig und verständlich. Das »geschlossene Bild«, das Matthias Jung präsentierte, fand sich im Verlauf der Kantaten wieder.
18. Dezember 2022, Wolfram Quellmalz
Der Knabenchor beteiligt sich am 23. Dezember an der Vesper vor der Frauenkirche (Beginn: 17:00 Uhr).