Buster Keatons »The Navigator« als Präludium zu den Schmalfilmtagen
Wenn ein Festival zum 24. Mal stattfindet, scheint es zu früh, dies zu feiern. Das »silberne« Jubiläum ist doch mit dem 25. Mal verbunden. Doch für die Schmalfilmtage in Dresden hat die Zahl 24 eine höhere Bedeutung, denn: 24 Bilder pro Sekunde zeigt ein Film – und 24 Schatten. Und die – kaum wahrgenommen – sind wichtig, um das nicht sichtbare sichtbar zu machen. Insofern besteht also sehr wohl Grund zu feiern, wenn die Schmalfilmtage ab Donnerstag wieder ihre Besucher empfangen. Die Filme gibt es in der Regel in der Motorenhalle in Dresden, aber auch die Runde Ecke und die Galerie Adlergasse gehören zu den Veranstaltungsräumen. Der Auftakt fand traditionell vorab in der Diakonissenhauskirche.

Land in Sicht? Betsy und Rollo allein auf dem Schiff, Bildquelle: Orgel in bunt
Und dort, in der Kirche, heißt der Auftakt weder »Auftakt« noch »Preview«, sondern »Präludium«. Standesgemäß erklang dazu die Schuke-Orgel, gespielt von René Plath, der den Film des Abends nicht nur musikalische begleitete, sondern auch mit Wassergeräuschen und Schlagwerk untermalte. Der Film war am Sonntagabend Buster Keatons »The Navigator« von 1924. Was ein Stummfilm bei den Schmalfilmtagen zu suchen hat, erklärt sich leicht: es war eine 35mm-Kopie, also passend für die technischen Eckpunkte. Und: die Schmalfilmtage wenden sich ihren Besuchern dezidiert zu, denn neben dem Orgelspieler und dem Filmvorführer (Jan Nordsieck) war Richard Bahner dabei, der sich um die deutschen Untertitel kümmerte – andere Veranstalter (auch größere) begnügen sich, wie wir kürzlich erlebt haben, oft mit der englischsprachigen Kopie, was Teile des Publikums, vor allem jüngere und ältere, zwar nicht ausschließt, ihnen aber einen Teil des Spaßes nimmt.
DER FILM
Und der – Spaß – darf bei Buster Keaton nicht zu kurz kommen. Rollo Treadway (zu deutsch: »Laufsteg«) ist ein reicher Erbe, schwimmt in Luxus – und langweilt sich offenbar. Buster Keatons Film stellt zunächst die Hauptpersonen vor (neben Rollo den Reeder O’Brien und seine Tochter Betsy), dann entschließt sich der »Held« – sehr kurzfristig –, Betsy zu heiraten. Heute! Den formunvollendeten, gelangweilten Antrag lehnt Betsy verständlicherweise ab.
Rollo will die bereits gebuchten Fahrkarten für eine Schiffsreise nach Honolulu nicht verfallen lassen und beschließt, allein aufzubrechen. Derweil fahren Betsy und ihr Vater zum Hafen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Der Zufall und manche Umstände bringen Rollo und Betsy schließlich auf ein Handelsschiff, den Navigator, der ohne eine Besatzung an Bord, allein auf dem Ozean treibt. Schon bis beide bemerken, daß noch ein anderer da ist und sie sich finden, vergehen köstliche Minuten …
Zwar ist »Slapstick« darauf aus, auf knappem Weg einen heiteren Höhepunkt (oder Knalleffekt) zuzustreben, doch wenn es gut gemacht ist, wirkt die Technik auch noch nach Jahren bzw. der soundsovielten Wiederholung. Und Schnelligkeit spielt sowieso eine Rolle. Buster Keaton wußte, eine spannende (und witzige Geschichte) schnell zu erzählen – lohnt (fast immer).
DIE AUFFÜHRUNG
Livemusik macht einen Stummfilm noch ein wenig authentischer als ein später hinzugefügtes Tonband mit einer nachträglich eingespielten Musik. Überhaupt ist es ja ein interessantes Phänomen, daß ein Film damals ohne gesprochene Worte und natürliche Geräusche lief, dafür aber von Musik begleitet wurde. In vielen Filmtheatern gab es eigens dafür angeschaffte Orgeln, welche in der Regel über nur wenige Register verfügen (im Vergleich zu einer Kirchenorgel), dafür aber über einige Spezialeffekte. Diese mußte René Plath nun mitbringen, denn die Schuke-Orgel der Diakonissenhauskirche ist ein wunderbares Instrument, aber eben keine Filmorgel. Neben Trommeln bzw. Schlagwerken hatte er unter anderem eine Wasseranlage dabei, um die Unterwasseraufnahmen entsprechend zu illustrieren. Er verband die Szenen mit einem melodischen Fluß, der die Emotionalität widerspiegelte, aber auch manche bekannte Melodie einband. Zu den Höhepunkten gehört die »Küchenszene« – Rollo und Betsy, die wohl beide noch nie selbst gekocht haben dürften, finden zwar eine Kombüse auf dem Schiff vor sowie einige Vorräte, jedoch nicht das passende Werkzeug. Löffel, Gabeln und Messer sind viel zu groß, und allein das Öffnen einer Dose stellt sich als schwerwiegendes Problem heraus. Zur Szene, in der beide (erfolglos) wirtschaften, erklang »Das bißchen Haushalt, macht sich von allein« (Schlager von Johanna von Koczian, 1977). Später folgt unter anderem noch der »Einzig der Gladiatoren« von Julius Fučík, zum laufenden Grammophon im Film ließ René Plath die Orgel im Glissando »schief« klingen (bzw. »leiern«). Vom Publikum besonders gemocht wurde die Unterwasserszene, als Rollo von Schwertfischen angegriffen wird – dazu gab’s Schuberts »Forelle«.
13. März 2023, Wolfram Quellmalz
Ab Donnerstag geht es richtig los. Auf dem Programm der Stummfilmtage stehen diesmal Kinderfilme, neue (Next generation), ein Workshop und vieles mehr. Alles zum Programm finden Sie unter:
schmalfilmtage.de
René Plath ist als Organist, Musiker und Unterhaltungskünstler aktiv. Mehr zu ihm und seinen Programmen unter: