Don Giovanni trifft Salome

Mark Steinberg und Dénes Várjon spielten bei den Meisterwerken ein fast ambivalentes Programm

Allein die Vorfreude auf drei Violinsonaten Wolfgang Amadé Mozarts hätte wohl genügt, viele Musikfreunde am Dienstag zum Meisterkonzert auf Schloß Albrechtsberg anzulocken. Schließlich erlebt man diese höchst selten in normalen Kammerkonzerten, so konzentriert allenfalls zur Festspielzeit. Dabei sind sie nicht nur wundervolle Hörstücke, sondern gewähren noch manchen Einblick – ob sich Augenblicke und Schicksalsschläge des Lebensweges darin widerspiegeln, darf man vermuten. Interessant ist auch die Wandlung der Form. Denn die Violine rückte nicht kontinuierlich, erst recht nicht mit einem Mal aus der Position des Begleitinstrumentes vor das Klavier und wurde Hauptakteurin. In den Sonaten KV 302, 304 und 526, in den Jahren 1777 / 78 sowie 1787 entstanden, lassen sich unterschiedliche Anteile finden.

Mark Steinberg (Violine) und Dénes Várjon (Klavier) ließen sich darauf ein, diese Anteile auszuloten. Wiewohl beide vertraute Partner sind, suchten (und fanden) sie in Mozart ein gemeinsames Zentrum. Genau dieses Ausloten, das sich Annähern, hebt ein Konzert schließlich über das versierte »abliefern« des schon lange gekonnten, Risiken eingeschlossen selbstverständlich.

So standen sich die sanft anschmiegsame Violine und das munter perlende Klavier in der einem Frühlingslied gleichenden Sonate Es-Dur (KV 302) anfangs noch etwas ungleich gegenüber, doch fanden Mark Steinberg und Dénes Várjon schnell in ihr vertrautes Miteinander. Vielleicht lag es auch am Flügel? Dem Veranstalter steht seit einiger Zeit ein Bösendorfer 230 VC zur Verfügung. Und der erlaubt oder bietet über seine Oktaven hinweg durchaus unterschiedliche Charakteristika statt standardisierter Gleichförmigkeit – solche Vorteile wollen erst einmal erschlossen werden. Im zweiten Satz – mehr hat die Sonate gar nicht – zeigte sich das Duo mit Noblesse, Mozart als Meister des Rondeaus.

Wie hieß es danach umdenken und umhören! Denn mit Ferruccio Busonis zweiter Sonate für Violine & Klavier e-Moll (Opus 36a) kam ein Werk zur Aufführung, das man in den Konzertprogrammen lange suchen kann. Mozarts virtuoser Welt der Purzelbäume und Girlanden standen mit einem Mal unerhörte Stimmungsbilder gegenüber, die an Opern am Beginn des 20. Jahrhunderts erinnerten. Schon der in dunklen Klavierakkorden schimmernde Beginn war atemberaubend, ein Ausgangspunkt für beide Instrumente, sich rhapsodisch aufzuschwingen, expressiv darzustellen. Schon bei Mozart hatte die »Doppelbödigkeit« des Flügels hier und da für eine Dreistimmigkeit der beiden Partner gesorgt, jetzt kamen neben fast orchestralem Reichtum eine perkussive Kraft dazu. Mark Steinberg wiederum gelang das Kunststück, einen einfühlsamen, schmeichelnden Duktus beizubehalten, trotzdem aber für eine exakte Konturierung zu sorgen.

Die Sonaten e-Moll (KV 304) und A-Dur (KV 526) führten nach der Pause noch einmal in Mozarts Welten. Erneut mit einem samtig schimmernden Baß unter den beiden Liedstimmen, wurde deutlich, daß Mozart ebenso ein Meister des Menuetts gewesen ist, der gern mit Tonartwechseln entzückte, gerade in Mittelteilen und Trios kleine Stimmungsdramen offenbarte. Ein beherzter Mensch war er wohl auch, geht man nach Stücken. Begeisternd bestand die virtuose Eigenständigkeit beider Instrumente, die zum Beispiel in KV 526 durch den letzten Satz wirbelten – frei und ungestüm und scheinbar ohne ein kontrapunktisches Korsett.

Absprache der Zugabe, Photo: NMB

Das letzte Wort blieb bei Mozart. Noch einmal in Es-Dur wie zu Beginn fügten Mark Steinberg und Dénes Várjon das Adagio aus KV 481 als Zugabe an.

8. März 2023, Wolfram Quellmalz

Das Moritzburg Festival erwartet seine Besucher vom 4. bis zum 20. August, das Programm ist seit kurzem veröffentlicht. Vorverkaufsbeginn: 20. März. In diesem Jahr gibt es unter anderem einen Liederabend mit vier Sängern und zwei Pianisten. Unter den Jubilaren des Programms findet sich auch Édouard Lalo, der ebenso auf der neuen CD des Moritzburg Festivals vertreten ist.

Eben erschienen: Moritzburg Festival Ensemble, Josep Caballé-Domenech (Dirigent), Jan Vogler, (Violoncello): Édouard Lalo, Cellokonzert d-Moll, Enric Casals Cellokonzert F-Dur »im romantischen seriösen Stil« (Weltersteinspielung), erschienen bei Sony

http://www.moritzburgfestival.de

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