Kantorei St. Marien Pirna führt sogenannte Keiser-Passion auf
Die Urheberschaft der Markus-Passion, die am Sonntagnachmittag in der Marienkirche Pirna erklang, ist nicht gesichert. Reinhard Keiser (1674 bis 1739) wird als möglicher Autor genannt, doch eindeutig belegt ist dies nicht, abgesehen davon, daß an der Fassung Veränderungen durch dritte Hand vorgenommen sein können. Kantor Florian Mauersberger bezieht sich auf die Überlieferungsgeschichte der Abschrift, die – offenbar handelte es sich um das Aufführungsmaterial – einmal im Besitz Johann Sebastian Bachs gewesen ist. Im vergangenen Jahr hatte Mauersberger mit seiner Kantorei Bachs Johannes-Passion aufgeführt, 2024 soll die Matthäus-Passion folgen.

Marienkirche Pirna, Bildquelle: Wikimedia commons
Ungeachtet der möglichen Autorschaft lohnt das Werk an sich und wartet mit mancher Besonderheit auf. Statt einer großen Ouvertüre gibt es vier meist knappe Sinfonie, die nicht nur den Beginn der beiden Hauptteile, sondern auch zwei Verharrungsmomente jeweils in der Mitte markieren. Nur die erste geht unmittelbar in einen Chor über, an die anderen drei schließt sich ein Rezitativ direkt an. Und noch diese (Rezitative) sind in ihrer Bedeutung herausgehoben. Musikalisch teils durch eine accompagnierte oder fugierte (Chor-Rezitativ) Form, vor allem aber wegen des dramaturgischen Verlaufs. Denn der Erzählfluß ist nicht nur ununterbrochen, er wechselt zudem beständig und bündig zwischen den Rollen, ohne diese in einzelnen Nummern abzusetzen.
Das weist nicht zuletzt auf eine (damals schon) dezidierte Bearbeitung bzw. ein besonderes musikalisch-literarisches Verständnis des Librettos hin. Am deutlichsten wird dies vielleicht in einem kontemplativen Höhepunkt kurz vor dem Schluß: Nach dem Verscheiden Jesu werden Gedanken um Tod und Auferstehung zwar in einer Folge von Soli (Alt, Sopran und Tenor) zwischen Choral und Lied dargestellt, jedoch sind sie untrennbar miteinander verbunden und entsprechen im Aufbau der Form eines Sonetts!
Um solche Besonderheiten und Wechselwirkungen herauszustellen, hat es sicher einer aufwendigen Vorbereitung bedurft – um so schöner, wenn das Zusammenspiel von Kantoreichor, Solisten (Katharina Salden / Sopran, Jaro Kirchgeßner / Altus, Christian Volkmann / Tenor sowie Nikolaus Fluck / Baß) und Instrumentalisten so spannungsvoll gelang! Christian Volkmann übernahm den Part des Evangelisten, wie die weiteren Rollen (Jesu, Pilatus, Petrus, Magd etc.) bei den Solisten lagen. Vor allem Katharina Salden begeisterte mit ihrem an sich schlanken Sopran, den sie in der großen Kirche leuchten ließ, ohne daß dies mühevoll klang. Selbst in kurzen Sequenzen (Magd) fand sie zu einer unmittelbar glaubwürdigen Rollendeutung.
Florian Mauersberger gelang es, die etwa einhundert Minuten Musik spannungsvoll zu einem Ganzen zu binden. Immerhin bestünde wegen der vielen Wechsel – teilweise innerhalb der Verse – zwischen dramaturgisch vorantreibenden und kontemplativen Texten doch die Gefahr, nur einen (uns bekannten) Handlungsverlauf zu vermitteln. Doch am Sonntag konnte man sich von der Musik berühren lassen, selbst noch in scheinbar schlichten, einfachen Teilen – und manche Entdeckung mache oder Überraschung erleben.
Die Instrumentalisten (Barockensemble St. Marien) um Franziska Graefe (1. Violine) trugen ihrerseits zur farbigen Gestalt der Markus-Passion bei, denn neben dem Basso continuo und einem reichen Tutti-Kleid hatten sie, von den Violinen und der Oboe bis zu Violoncello und Kontrabaß – viele der Solostimmen als Duopartner zu begleiten.
27. März 2023, Wolfram Quellmalz
Am Donnerstag (18:00 Uhr) kommen die Elbland Philharmonie Sachsen (Leitung: Ekkehard Klemm) und Norbert Anger (Violoncello) zum 4. Philharmonischen Konzert in die Marienkirche Pirna (Werke von Dvořák und Janáček). Am Sonntag (16:00 Uhr) laden Gretel Wittenburg (Sopran) und Elke Jahn (Gitarre) zum »Konzert zur Kamelienblüte« in die Schloßkirche Zuschendorf.