Kammerkonzert im Tom-Pauls-Theater Pirna
Am Sonntag gab es einen Wiederauftakt im Tom-Pauls-Theater Pirna, denn mit dem 16. Kammerkonzert fand etwas seine Fortsetzung, was auch hier pandemiebedingt länger unterbrochen war. Nicht zuletzt: »grünes Licht« (vom Gesundheitsamt oder der STIKO) allein reicht nicht aus. Die Situation muß überschaubar und absehbar sein, sonst besteht keine Planungssicherheit.
Um so schöner, wenn etwas uneingeschränkt wieder »da« ist. In diesem Fall bedeutet es, daß es wieder ein Vorprogramm gab. Schülerinnen der Musikschule Sächsische Schweiz e. V. trugen Werke von Peter Tschaikowski und Katherine Colledge (Nala Weisheit / Violoncello und Lila Weisheit / Klavier) sowie den ersten Satz aus Joseph Haydns Klaviersonate Nr. 53 (Theresa Kuhn) vor. Nala Weisheit kam die besondere Ehre (und hoffentlich das Vergnügen) zu, mit Norbert Anger, einem der Akteure aus dem Hauptprogramm, ein Duo für Violoncelli von Michail Glinka zu spielen.
Nach dieser kleinen Ouvertüre gab es drei große Auftritte – dreimal Brahms gleich. »Lieben Sie Brahms?« war das Programm übertitelt und gab vielfach Anregung, nicht allein der (schönen) Musik zu folgen, sondern darüber hinaus zu sinnieren.
Etwa über Johannes Brahms‘ Leidenschaften. Stecken sie doch – beim jungen wie beim älteren – unmißverständlich in den Werken! Um die dreißig war der Hamburger Komponist, als er seine erste Cellosonate schrieb. Dabei hatte der Komponist, den wir vor allem am Klavier kennen, das Instrument (in jungen Jahren) ebenfalls selbst gespielt. Eigentlich erstaunlich, daß er dem Werk erst über zwanzig Jahre später eine Schwester zur Seite stellen sollte.
Norbert Anger (1. Konzertmeister Violoncello bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden) und Martin Schöch ließen das Werk emphatisch aufblühen – Johannes Brahms konnte gleichermaßen zartfühlend wie zuweilen poltrig sein. In seiner Musik fanden sich beide Elemente, eine empfindsame Gesanglichkeit wie eine dunkle, animalische Kraft.
In seinem Wesen und Temperament scheint der Komponist noch dreißig Jahre später unverändert, selbst wenn seine Sonate für Klarinette und Klavier Nr. 2 zunächst etwas »kleiner« schien. Man darf ja vermuten: Über die Bekanntschaft mit dem Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld hinaus scheint das Werk noch mehr im Salon verortet zu sein und vielleicht auch bei einer echten Dame als nur dem »Fräulein Klarinette«, wie Brahms seinen Freund Mühlfeld spaßeshalber genannt hat. (Das darf man schon deshalb vermuten, weil Brahms die Sonate außerdem in der Amalie-Schneeweis-Stimmlage der Viola zudachte.) Mit Robert Oberaigner (Soloklarinettist der Sächsischen Staatskapelle) durfte das Werk munter perlen und funkeln – in einer superben Artikulation standen sich Klarinettist und Pianist in nichts nach! Auch nicht Brahms in der Leidenschaft. Und – ganz Salon – das Andante con moto bewies den größten Charme, auch dazu war Brahms fähig.

Und er konnte sich hineinfinden, anpassen, aufnehmen. Sein Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier Opus 114, nach der Pause serviert, gehört ohnehin zum delikatesten, was für diese Besetzung geschrieben wurde. Robert Oberaigner, Norbert Anger und Martin Schöch fanden den Hanseaten – ganz Wienerisch – nah bei Beethoven, dessen »Gassenhauertrio« für Brahms ein wesentlicher Impuls gewesen war. Viersätzig nun schon formal gewachsen, präsentierten sich im Allegro Klarinette und Cello als einträchtiges Gesangsduo, das Adagio – Brahms‘ Leidenschaft! – konnte nicht verbergen, wie aufgewühlt und innig sich die drei Stimmen vereinten, bevor sie im Schluß-Allegro losstürmten.
Das laute »Bravo!« danach kam wohl von Herzen, da mußte ein Stück »Gassenhauer« als Zugabe her.
Sie lieben also Brahms? Dann lesen Sie doch bitte auch Françoise Sagans großartiges Buch (neu bei Wagenbach) und schauen Sie – einer der wenigen Fälle, in denen Verfilmungen lohnen (1961 mit Ingrid Bergman, Yves Montand und Anthony Perkins).
