Gesprächskonzert mit Brückenschlag

Zweite Veranstaltung der Reihe Prießnitzstraße – Stadt. Land. Fluß

Das Kruzifix der Diakonissenhauskirche stand am Sonnabend nicht nur im Mittelpunkt des zweiten Konzerts der neuen Reihe Prießnitzstraße sondern quasi auch Pate für einen Übergang – das mittelalterliche Kunstwerk war ursprünglich für die Kirche des Bartholomäus-Hospitals (damals Wilsdruffer Vorstadt) geschaffen worden und gelangte 1838 in das Dresdner Altertumsmuseum. Dort, im Palais Großer Garten, war es eingelagert, also an dem (nach dem Krieg wiedererstandenen) Ort, an dem die Reihe Offenes Palais als Vorgängerveranstaltung der Prießnitzstraße viele Jahre zu Hause war. Allerdings wurde das Kruzifix mit der Beschädigung des Palais (Bombentreffen / Brand) in Mitleidenschaft gezogen.

Heute findet man das restaurierte Kruzifix in der Seitenkapelle der Diakonissenhauskirche, es kam 1962 hierher. Dr. Katja Paul von der Gemäldegalerie Alte Meister, die sich auf Spätmittelalterliche Kunst spezialisiert hat und dort über die »Seitenwunde Christi als mittelalterliches Andachtsbild« promovierte, besprach das Kunstwerk und ordnete es in einen übergeordneten Kontext ein, was für zahlreiche Fragen, Hinweise und Anmerkungen eines aufgeschlossenen Publikums sorgte.

Thomas Friedlaender und Jan Katzschke, Photo: NMB

Musikalisch – immerhin befinden wir uns zwar nach dem Osterfest, aber noch bis Pfingsten in der Osterzeit (bzw. Osterfestkreis oder Österliche Freudenzeit) – war der Nachmittag entsprechend eingeordnet. Thomas Friedlaender (Zink, außerdem Organisator der Reihe), Jan Katzschke (Virginal und Gesang) sowie Udo Löser (Schuke-Orgel) faßten das Programm mit Werken aus dem Glogauer Liederbuch und Buxheimer Orgelbuch und verschiedenen Versionen von »Christ ist erstanden« ein. Begonnen hatte die Vesperstunde mit Girolamo Frescobaldis Recercar con obligo di cantare la quinta parte senza toccarla und Martin Luthers Lied zum Text »Christ lag in Todesbanden«.

Thomas Friedlaender spielte auf zwei verschiedenfarbigen Zinken – hier im doppelten Sinne »verschiedenfarbig«, denn die äußerlich hell und dunkel gefaßten Instrumente klangen auch verschieden und ergänzten die Singstimme kantabel. Ebenso gefiel das Virginal – meist hört man Cembali im Konzert – mit einem leicht glockenhaften Ton.

Somit erfuhr Johann Herrmann Scheins »O Lamm Gottes, unschuldig« in der Begleitung einen silbrig-dunklen Unterton, Dieterich Buxtehudes »Ach Herr, mich armer Sünder« (BuxWV 178) hatte zuvor einen nicht nur wohltuend ruhigen Niederschlag gefunden, sondern für melancholisch-getragenes Innehalten gesorgt.

Udo Löser griff in Improvisationen ebenfalls das Christ-lag-in-Todesbanden-Thema auf, wandte sich dann dem Choral »Befiehl du deine Wege« auf. Wieder einmal zeigte sich – die Schuke-Orgel kann hervorragend Renaissanceregister intonieren, trotz ihrer baulichen Modernität!

Mit einem weiteren Choralvorspiel von Dieterich Buxtehude (»Wir danken Dir, Herr Jesu Christ« BuxWV 224) schlossen Thomas Friedlaender und Jan Katzschke die zweite »Prießnitzstraße« beinahe ab. Das letzte Wort galt jedoch Heinrich Schütz‘ »Verleih uns Frieden ewiglich«, das wieder einmal zeigte, daß diese Bitte eindringlich vorgetragen werden will und vor Ohren führte, wie raffiniert der Komponist darin eine Battaglia verwendet hat.

16. April 2023, Wolfram Quellmalz

Die »Prießnitzstraße« geht weiter. Für Mai und Juni sind zwei weitere Veranstaltungen fest geplant. Zunächst heißt es am 21. Mai »Von Drachen und Sternen«. Dann soll auf der Terrasse der ehemaligen »Drachenschänke« Barockmusik aus dem berühmten »Schranck No. II« erklingen. Dazu wird Dr. Michael Korey, Oberkonservator des Mathematisch-Physikalischen Salons (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) darüber sprechen, wie wir die Zeit an den Sternen ablesen.

Und auch für die Zeit nach Juli gibt es bereits Pläne. Für den Frühsommer ist eine musikalisch-literarische Wanderung geplant. Mehr dazu unter:

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