Musikhochschule setzte Reihe von Symposien fort
In enger Kooperation mit der Semperoper Dresden und diesmal auch mit den 31. Dresdner Tagen für zeitgenössische Musik stand am Freitag ein ganzer Tag bzw. ein Symposium an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden im Namen eines Komponisten. Nach Schönberg, Ligeti und Schostakowitsch in den Vorjahren war es diesmal Aribert Reimann, der auch 2019 / 2020 Capell-Componist der Sächsischen Staatskapelle war. Zentral wurde dabei die aktuelle Produktion von »Die Gespenstersonate« auf Semper Zwei betrachtet (wie zuvor »Moses und Aron« von Arnold Schönberg 2018, »Le Grand Macabre« von György Ligeti 2019 und Dmitri Schostakowitschs »Die Nase« 2022). Abends gab es »Die Gespenstersonate«, deren zweite Serie nach der Premiere im Herbst gerade lief, noch einmal auf der Bühne.

Aribert Reimann, Photo: © Peter Andersen
Mit Wolfgang Rathert und Ellen Freyberg von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie dem Komponisten und Musikwissenschaftler Julian Lembke, der gerade an einem Buch über Aribert Reimann arbeitet, waren Beiträge von Gästen ebenso enthalten wie solche von Partnern, etwa dem Dramaturgen der Sächsischen Staatsoper Dresden Benedikt Stampfli. Aribert Reimann selbst hatte seine Teilnahme leider kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen, so daß ein geplantes Podiumsgespräch mit ihm, Jörn Peter Hiekel (Musikwissenschaftler der HfM) und Johann Casimir Eule (Chefdramaturg der Sächsischen Staatsoper) leider entfallen mußte. Was jedoch nicht heißt, daß es keine Gespräche oder Diskussionen gegeben hätte. Die Nachfragen bzw. Kommentare nach den einzelnen Beiträgen waren rege und wurden in den Pausen fortgesetzt, zum Abschluß des Symposiums am Nachmittag bzw. als Vorbereitung für den Abend gab es eine Podiumsdiskussion zur Inszenierung von »Die Gespenstersonate« mit der Dirigentin Yura Yang und Regisseurin Corinna Tetzel aus dem Dresdner Aufführungsteam. Benedikt Stampfli hatte kurzfristig die Moderation von Johann-Casimir Eule übernommen.
Inhaltlich blieben Beiträge und Gespräche erfreulich im Jetzt – ist ein Vorwurf an Reimann doch immer wieder, daß er historische Stoffe in »Literarturopern« verarbeite. Doch seine Werke sind nicht nur über den eigentlichen Handlungsinhalt hinaus angereichert (inclusive von oft nachträglich erarbeiteten oder bekanntgewordenen Texten), gerade eine Dualität läßt sich in vielerlei Hinsicht feststellen. Musikalisch schlägt sich dies zum Beispiel in einer musikalischen Lyrik nieder, die typisch ist und sich durch Reimanns gesamtes Œuvre zieht, von den Bearbeitungen für Stimme und Klavier über die Nocturnes bis zu seinen Opern (bisher neu). Aribert Reimann wandte sich der Lyrik zu, als sich Donaueschingen oder Darmstadt gerade davon abwandten. Er vertieft dies, machten die Referenten auf verschiedene Weise mit Beispielen deutlich, so stark, daß es zu einer Wechselwirkung zwischen Gesangs- und Instrumentalstücken kommt, die sich sogar in rein instrumentalen Werken nachweisen läßt.
Wolfgang Rathert erkannte im Melos als universale Kraft und Ausgangspunkt, aus dem Reimann die Spannung seiner Werke gewinnt, Evidenz. Die Dualität oder Vielschichtigkeit verdeutlichte Julian Lembke mit Beispielen in bezug darauf, daß bei Reimann eben nicht die Handlung relevant ist, sondern die »Fabel«, was also einen Subtext einschließt und einen Interpretationsspielraum eröffnet, wie sich in der Abschlußdiskussion zeigte. Auf die musikalische Lyrik bzw. deren Entwicklung ging Ellen Freyberg dezidiert ein.
Immer wieder stand jedoch die Frage im Mittelpunkt, wie modern (oder eben altmodisch) Reimann ist. Ein »gehobener Eklektizist« vielleicht? (Vor diesem Hintergrund überraschte, wie häufig nach wie vor Aussagen Theodor W. Adornos bemüht werden, waren diese doch schon damals umstritten!)
Ergänzt wurde der theoretische Teil durch zwei Musikbeiträge: Aribert Reimanns »Solo« für Oboe (Horace Guédron, Masterstudent Klasse von Céline Moinet) solo sowie »Lady Lazarus« mit der Sopranistin Coco Lau.
22. April 2023, Wolfram Quellmalz
Zum Symposium soll später ein Tagungsband folgen. Aktuell ist jener zu György Ligeti in Vorbereitung.