Peter Rösel und Friedrich Wilhelm Junge in der Villa Teresa
Nachdenken über Beethoven oder Thomas Mann? Lange sinnierten Peter Rösel und Friedrich Wilhelm Junge am Sonnabend in der Coswiger Villa Teresa nicht. Das war auch nicht nötig (allerdings schien der Eintrittspreis von 29,- Euro für eine knappe Stunde doch arg hoch) – statt große Umwege zu nehmen, steuerten sie sogleich auf Ludwig van Beethovens Opus 111 zu, der 32. und letzten Klaviersonate des Meisters. Das Sinnen überließen sie bzw. Friedrich Wilhelm Junge Thomas Mann und der seinem Adrian Leverkühn (aus »Doktor Faustus«), den er (wenig fein) über den von einer Sprachstörung geplagten Organisten und Musikwissenschaftler Wendel Kretzschmar erzählen läßt. Weshalb dieser – von einem hartnäckigen Stottern befallen – Vorträge halten muß, sei dahingestellt. Ebenso die Frage, ob er in seinen erklärenden Vorträgen Beethovens Opus 111 wirklich auf einem Pianino gespielt habe (ist es nicht viel zu klein für eine angemessene Darstellung dieser Sonate?). Da wäre schon eher die Frage über eine Frage zu erörtern, nämlich: warum man meint, der Sonate fehle ein Satz. Schließlich gilt Ludwig van Beethoven durchaus nicht als »Formenwahrer«, der sich an die Vorgabe dreier Sätze gehalten habe. Seine ersten (und auch spätere) Klaviersonaten wiesen vier auf, die Nummern 19, 20, 22 und 24 sind ebenso zweisätzig. Aber schließlich es gibt bis heute Erörterungen, ob Schuberts »Unvollendete« nun (un)vollendet sei oder nicht …

Teresa Carreño und Eugene d’Albert die früheren Bewohner der Villa Teresa, historische Photographien, Bildquelle: Wikimedia commons
Immerhin zum Vergnügen des Publikums las Friedrich Wilhelm Junge die Passagen aus »Doktor Faustus«, danach durfte Beethovens Werk denn auch erklingen – nicht auf einem Pianino, sondern einem Steinway, Modell D (Nr. 92001). Es ist übrigens der originale Flügel (Baujahr 1898) von Eugene d’Albert, den der Komponist hier im Haus gespielt hat. Daß d’Albert darauf auch Opus 111 erklingen ließ, darf man annehmen.
Fernab aller Deutung, historischem »Rauch« und anderer Überbetonung konzentrierte sich Peter Rösel ganz auf das Stück, auf die Musik. Die Anzahl der Sätze wurde hier nebensächlich – denn Ausformung, Auflösung und Nachklang standen im Mittelpunkt, klare Strukturen und konturierte Übergänge – ein Intermezzo schien versteckt (ein also doch ein verborgener dritter Satz?), in der Dramatik leuchtete etwas nach – dabei war Beethoven nicht weit über Sturm und Drang hinaus! Harmonisch unfaßbar für seine Zeit, kündete Peter Rösels Spiel von einem Aufbruch, einem musikalischen, den später andere nahmen. (Jene, die sich fragten, ob da ein Satz fehle, waren es sicher nicht!) Allen voran Franz Schubert, dem sich der Pianist in den letzten Jahren ebenso dezidiert gewidmet hat. Da darf man gespannt sein, was beim nächsten Klavierabend von Peter Rösel auf dem Programm steht. Ein Abend mit drei Werken wäre zum Beispiel schön (egal, wieviel Sätze sie haben)!
30. April 2023, Wolfram Quellmalz