Konzertanter Ballettabend

Weihnachtskonzerte der Philharmonie

Für die diesjährigen Weihnachtskonzerte kehrte Dmitri Kitajenko, ein langjähriger Partner der Dresdner Philharmonie, erneut an die Elbe zurück. Oft schon standen russische Werke, ebenso traditionsreiche wie unbekannte, auf seinem Programm, das war diesmal nicht anders. Wie farbig und spannend der Dirigent sie zu beleben versteht, konnten Besucher am 23. und 25. Dezember im Kulturpalast erleben.

Eine Suite aus Peter Tschaikowskys »Nußknacker« war zwar die einzige explizite Ballettmusik, doch letztlich standen alle Werke dem Rhythmus, dem Tänzerischen nahe – ein Impuls, den Kitajenko lebhaft aufnahm.

Den Auftakt bestimmte jedoch Nikolai Rimski-Korsakow. Auch von ihm gab es eine Suite bzw. ein Tongemälde nach der Oper »Die Legende der unsichtbaren Stadt Kitesch«. Nicht nur der Titel mag manchem unbekannt erschienen sein – das ganze Werk wurde zum ersten Mal überhaupt von der Philharmonie gespielt. Zunächst stand – ganz »Tongemälde« – das Bildhafte im Vordergrund, die musikalische Ausdeutung von Einsamkeit (intoniert durch Kontrabässe und Celli), von fließendem, perlendem Wasser (Harfe). Doch im Verlauf gibt es ein Hochzeitsfest mit Glockenspiel, wogend-elegische Themen; ein apotheotisches Schreiten (Holzbläser), das in einen Blechbläserchoral mündet – Dmitri Kitajenko stellte die ganze Farbenpracht dieses Gemäldes heraus und entwickelte eine prickelnd rhythmische Prägnanz, die dem Konzert bis zum letzten Stück erhalten bleiben sollte.

Sergej Prokofjews Klavierkonzert Nr. 2 war davon ebenso geprägt. Zunächst »streute« das Orchester bunte Tupfer von Holzbläsern und Streicherpizzicati in den Saal, Pianistin Yeol Eum Son nahm ihren virtuos und halsbrecherisch das ganze Werk bestimmenden Part auf. Prokofjew verblüfft mit seiner Harmonik, Yeol Eum Son durchbrach diese immer wieder mit einer stupenden Fingerfertigkeit, die sich in schier endlosen Kadenzen austoben durfte. Dabei behielt sie gar einen Hauch chopinesker Eleganz – einen Hauch nur, ansonsten bestimmte durchaus die kraftvolle Virtuosin die Tonflut.

Dmitri Kitajenko band Solistin und Orchester mit gewohnt kleinen, aber präzisen Bewegungen, so erstand aus dem Scherzo. Vivace ein leichtfüßiger Tanz, während jener des Intermezzos an die Ritter erinnerte – dieses Klavierkonzert war kaum weniger bilderreich als Rimsky-Korsakows Suite. Mit dem Furioso einer Troika bogen Dirigent und Pianistin in die Zielkurve. Da hätte mancher Prokofjews Toccata als Zugabe erwartet, indes: Yeol Eum Son bot ein (weiteres) Stück Ballettmusik: Igor Strawinskys »Pétrouchka« – Pause.

Da hieß es kurz verschnaufen, bevor es mit Tschaikowsky weihnachtlich wurde. Die Philharmonie bot dazu jede Menge Flitter, Bilder und Tanz, und wußte doch zu überraschen. Zum Beispiel mit der Schärfe mancher Akzente (Flöten und Streicher / im Zauberschloß), womit sie eine beschauliche Zuckrigkeit vermied. Celesta und Harfe als »Wunderinstrumente« wußten um so wirkungsvoller zu verführen, immer wieder leuchtete die Oboe (Guido Titze) golden hervor. Derart sensibilisiert, wirkte die Walzerseligkeit authentisch – russische Seele?

Ein prickelndes Konzert, das sich – trotz Bildhaftigkeit – nicht der Beschaulichkeit hingab, sondern mitreißend tänzerisch blieb.

24. Dezember 2018, Wolfram Quellmalz

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