Ein Himmel voller Violen

4. Kammerabend der Staatskapelle

Nicht nur Cellisten treten gern zu viert, zu sechst oder zu zwölft auf, auch die Bratschisten eines Orchesters können in der Gruppe eine ganze Kapelle nachbilden. So zumindest konnten es die Besucher des Kammerabends am Sonntag in der Semperoper erleben.

Begonnen hatte der jedoch mit einem Quintett Felix Mendelssohns in »normaler« Besetzung, das heißt einem um eine Viola erweiterten Streichquartett (Anselm Telle und Robert Kusnyer, Violinen, Michael Horwarth und Marie-Annick Caron, Violen, Simon Kalbhenn, Violoncello). Jubilierend wie im e-Moll-Konzert oder im Oktett beginnt das Quintett Nr. 2 in B-Dur, flirrend schien es auf Friedmann Dreßlers »Insekten« vorauszuweisen, die im späteren Programm folgen sollten, gewann aber vor allem in der Cello-Lage Substanz aus der Tiefe. Das Changierende des Werkes zwischen Hoffnung und Frage, Zugewandtheit und Zweifel, wurde offensichtlich – gäbe es kein Licht, hätte Düsternis nichts Erschreckendes.

Damit wurden die Kollegen jedoch schon verabschiedet, die Bratschisten (außerdem Sebastian Herberg, Florian Richter, Andreas Schreiber, Stephan Pätzold, Anya Dambeck, Ulrich Milatz, Ralf Dietze, Zsuzsanna Schmidt-Antal, Juliane Preiß und Luke Turrell) blieben unter sich und vollführten manchen Tanz und Schwank. Ob Johann Strauß (»Blitz und Donner«) oder Aram Chatschaturjan (»Säbeltanz») – schnell und heftig bewegt sein können zehn oder zwölf Violen, auch wenn ihnen vielleicht manchmal die Schärfe oder ein Peitschenknallen (Strauß) fehlt – mit Füßestampfen machten die Musiker einiges wett! Doch der musikalische Spaß braucht nicht zuletzt Ernsthaftigkeit, wie man hören konnte, sonst stellt sich keine Lebhaftigkeit ein.

Als besonders spannend erwiesen sich dennoch gerade die moderneren, neueren Werke, wie Friedmann Dreßlers »Insekten«, der in vier Sätzen zunächst einen Hummelflug anstimmt und danach Fiepen, Krabbeln, Gaukeln (Schmetterling) und anderes intoniert. Am »spannendsten« vielleicht »Spinne!« (Satz 3), welcher die Dehnung eines Fadens enthielt.

Noch spannender wurde es bei Max von Weinzierls »Nachtstück« Opus 34 (für vier Violen). Was beginnt wie eine harmonische Serenade, entpuppte sich als vollwertiges Quartettstück mit vier unterschiedlichen Stimmen und Stimmlagen, die Streicher- und Pizzicatofiguren gegenüberstellten oder mit fugierten Einsätzen Strukturen schufen und von einem federnden Mittelteil aufgelockert wurden – entdeckenswert! Was für ein Chamäleon so ein Violenquartett ist, bewies der nachgereichte Astor Piazzolla (»Adiós Nonio«).

Weinzierls Nachtstück stand Jürgen Knauers Oktett kaum nach. Das 2018 entstandene und der Bratschengruppe der Sächsischen Staatskapelle gewidmete Werk wurde an diesem Abend uraufgeführt. Liegend und fließend stoßen die Stimmen hier an- und aufeinander, werden in Gruppen zu zweit gefaßt, die im Quartett und Sextett spielen, sich Sequenzen übergeben. Oft schafft der Komponist Gegensätze, stellt Pizzicati und Tremoli gegenüber, sorgt für Interaktion, auch wenn man manchmal nicht sicher war, wohin das Werk »wanderte«.

So zeigte sich letztlich vor allem eines: das Ausdrucksspektrum der Violen ist enorm groß.

7. Januar 2019, Wolfram Quellmalz

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