Drinnen Musik, draußen Lärm
Wie schade – die Kreuzkirche hat mit sanften Retuschen bzw. einer feinen Fokussierung betont, daß Vespern keine Konzerte sind, da wird die Veranstaltung am 26. Januar von draußen gestört, weil der »Dresdner Winterzauber« auf dem Altmarkt ausgerechnet um 17:00 Uhr lautstark eröffnet wird – man sollte meinen, die Stadt hätte den Konflikt vor der Genehmigung erkennen müssen!
Am Vorabend des letzten Sonntages nach Epiphanias hatte die Kreuzkirche Dresden Peter Kopp, den ehemaligen Chordirigenten des Dresdner Kreuzchors und heutigen Rektor der Hochschule für Kirchenmusik Halle mit dem von ihm gegründeten Vocal Concert Dresden eingeladen. Mit seiner Qualität konnte dieser Chor schon oft überzeugen, auch diesmal gab es in einem Programm mit sehr unterschiedlichen Werken nichts zu deuteln.
Eine Woche vor dem Fest der Darstellung des Herrn bzw. »Maria Lichtmeß« bot die Kreuzkirche ein in Wort und Sinn erhellendes Programm, welches das Vocal Concert mit Leonhard Lechners »Nun schein, du Glanz der Herrlichkeit« einleitete. Wie Gesang gewordenes Licht hoben die Sängerinnen und Sänger die »klare Sonne« und das »schöne Licht« heraus – Lechners strahlende Komposition konnte von dieser a-capella-Güte nur profitieren. Der lichte Gedanke verströmte ebenso wie eine betörende klangliche Schönheit, die jedoch auf Übertreibung und Überdeutung verzichtete, so daß die Zuhörer immer bei den Gedanken des Textes blieben.
Ebenso eindrucksvoll, aber auf ganz andere Weise, schlossen sich die Deutungen von unter dem Titel »O nata lux de lumine« (O Licht vom Licht geboren) stehenden Texten nach Thomas Tallis und Morten Lauridsen an – mit berührender Schlichtheit erreicht uns dieser Gesang aus dem 16. Jahrhundert ebenso wie in der zeitgenössischen Komposition. Während Tallis das Wechselspiel von hell und dunkel betonte, aufzeigte, daß Aufbruch und Verinnerlichung fest zusammengehören, wurde durch das Vocal Concert deutlich, daß im Zentrum Lauridsens‘ Lied die Zuwendung der Liebe steht.
Kreuzorganist Holger Gehring begleitete die Vesper mit Johann Sebastian Bachs Toccata, Adagio und Fuge C-Dur (BWV 564), die sich als ebenso feingliedrig wie lichtvoll erwies.
Pfarrer Holger Milkau hatte in seiner Predigt unter anderem den Text aus »Wie schön leucht‘ uns der Morgenstern« aufgegriffen und erinnerte daran, daß sie die »Wurzel«, also Basis, mit dem Licht der unerreichbaren Sterne verbanden, also für uns als wesentlich empfundene Elemente – Fundament und Ziel? Die sogenannten »Stars« jedoch sind selten solche Sterne. Vorbilder, Leitbilder finden wir häufig bei anderen, unauffälligen Menschen, Nachbarn, Helfern. Daß Menschen schnell vergäßen, sehe man auch daran, daß sie das Erreichte der vorangegangenen Generationen so oft zu verbessern suchten, ohne sich der Erfahrung und Erkenntnis ausreichend bewußt zu sein.
Die Worte »Wie schön leucht‘ uns der Morgenstern« hatte auch Georg Schumann vertont. Mit der komplexen und dramaturgisch ausgestalteten Choral-Motette bewies das Vocal Concert einmal mehr, welche Stil- und Ausdrucksvielfalt es beherrscht. Es beeindruckte mit einer emotionalen Gestaltung ebenso wie mit harmonischer Homogenität.
27. Januar 2019, Wolfram Quellmalz