Rudolf Buchbinder und Beethoven

Österreichischer Pianist leitet erneut die Staatskapelle

Rudolf Buchbinder war schon mehrfach in Dresden, um Werke, vor allem der Wiener Klassik, vom Klavier aus zu leiten. Nachdem er im Vorjahr mit der Sächsischen Staatskapelle Ludwig van Beethovens Klavierkonzerte Nr. 1 und 5 vorgelegt hatte, kehrte er gestern zurück, diesen Kreis mit den Nr. zwei, drei und vier zu schließen. Daß er dabei die Reihenfolge in zwei – vier – drei änderte, lag wohl eher daran, daß er die solitäre Position des (mittleren) c-Moll-Konzertes herausheben wollte. Gleichzeitig zeigte die direkte Gegenüberstellung von zwei (B-Dur) und vier (G-Dur) noch einmal die ungeheure Spannweite Beethoven’scher Musik auf bzw. die Entwicklung, die der Komponist beschritten und das Klavierkonzert damit weit über die bis dato üblichen Grenzen hinausgetrieben hat.

Staatskapelle, Buchbinder und Beethoven – das klingt verläßlich, gesetzt, doch von Eintönigkeit oder mangelnder Spannung war am Sonntagmorgen in der Staatsoper nichts zu spüren. Im Gegenteil: nicht erst, seit der Pianist seinen Geburtstag mit der Kapelle gefeiert hat, sind beide innig verbunden. Rudolf Buchbinder ist dabei niemals stehengeblieben, sondern hat sein Wirken, gerade in der Verzahnung von Soloinstrument und Orchester, immer weiter verfeinert. Wenn Beethoven seine Werke mit einem dialogischen Prinzip strukturiert, läßt Rudolf Buchbinder dieses mit Überleitungen und Phrasierung beleben, gewinnt daraus eine große Spannung. Und während eines Bläserduos (Flöte / Rozália Szabó und Fagott / Philipp Zeller im Largo des c-Moll-Konzertes) kann das Klavier auch einmal charmant zurücktreten. Doch ob bei Bläsersoli oder der dramaturgischen Bestimmung der Bässe – Buchbinder verlor nie den Sinn für das Ganze, für eine dichte Verwebung, aus der die einzelnen Partikel hervorleuchten.

Oft genügt ein Fingerzeig – Buchbinders Dirigat ist unspektakulär, nicht auf äußeren Effekt bedacht und nicht selten eine Erinnerung oder Selbstbestätigung der Passage. Der Solist als Dirigent (nicht umgekehrt) legte einen Schwerpunkt auf die Anschlagskultur, ließ den Steinway schon im Eingangssatz des zweiten Klavierkonzertes silbrig perlen. Auf die forcierte Orchestereinleitung folgte eine helle Leichtigkeit, die eine stetige Entwicklung auslöste und nach einer fugenartigen Kadenz wie ein Nocturne endete – hier schloß der zweite Satz im Charakter so stimmig an, wie man es selten erlebt.

Die Kontraste des G-Dur-Konzertes, nur getrübt von einem mißlungenen Horn-Einsatz, wuchsen bei Rudolf Buchbinder nicht allein aus Hell und Dunkel, er schöpfte sie sublim aus einer Einheit von Melodik und pulsierender Rhythmik und schaffte im Zusammenschluß der gegenläufigen Stimmen einen Höhepunkt, der in ein erlösendes Finale überleitete. Die lebensvolle Brillanz des Solos flankierte Friedwart Christian Dittmann mit fast zärtlicher Umarmung, bevor das Finale auf das 5. Klavierkonzert vorauszuweisen schien.

Doch statt Finale ging es nach der Pause noch einmal auf einen Gipfel. Ein dunkler war es zunächst, der dramaturgisch und reichhaltig noch einmal die Durchdringung der Stimmgruppen offenbarte. Rudolf Buchbinder hielt seinen Part zwar noch etwas exponierter, doch nicht nur der sanfte Einsatz des Orchesters nach der Kadenz bewies, daß Kontrastschärfe eben mehr ist als nur »schwarz-weiß« oder »Kante«.

Und was gibt’s in der nächsten Spielzeit?

3. März 2019, Wolfram Quellmalz

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