Sommerliche Konzertreihe in Altkaditz
Am Freitag lud die Laurentius-Gemeinde zum zweiten Konzert der Reihe »Orgel plus« in die Emmauskirche. »Plus Tanz« hieß es diesmal – nein, kein Novum. Denn obwohl sich hinter dem »Plus« meist ein Instrument oder eine Stimme verbirgt, hat es vor genau zehn Jahren schon einmal »plus Tanz« geheißen. Genaugenommen steckt das Attribut in jedem Orgelkonzert, das wurde zumindest jenen bewußt, die von der Empore aus den »Tanz« von Organist Hans Christian Martin beobachten konnten. Mit zwei Händen und Füßen, die teilweise alle eigene Stimmen spielen, schien es dann, als schwebe er, die Schwerkraft ignorierend, im Raum. Übrigens war es, wie schon beim letzten Konzert, auch diesmal ein »plus plus«, denn draußen sorgte zunächst noch ein abziehendes Gewitter für akustischen Gegenhall.
Hans Christian Martin blieb ganz erdverbunden und rahmte sein Programm mit Johann Sebastian Bach: das Präludium c-Moll aus BWV 546 eröffnete den Abend, die dazugehörige Fuge schloß ihn später ab. Dazwischen erklang eine etwa vierzigminütige Improvisation, während der Hans Christian Martin das Jehmlich-Instrument erkundete. Denn statt sich ein musikalisches oder anderes Thema vorzunehmen, tastet (im wahrsten Sinn des Wortes) der Organist gerne die Orgel ab, spürt nach, wie sie klingt und reagiert. In diesem Fall ließ er zunächst aus getupftem Baß und flüchtig scheinenden, wie von Ferne kommenden Tönen einen Klang wachsen, den er fortan wandelte, umwandelte, sich mehren oder brechen ließ. Wie in einer Art Metamorphosen entstanden Stimmungsbilder, die immer wieder melodische Motive aufnahmen, meist jedoch ohne Zitate, also sehr frei blieben.
Für das Plus sorgte die Tänzerin und Choreographin Janine Schneider aus Berlin. Schon bei Bachs Präludium hatte sie begonnen, in langsamen Bewegungen und Gesten den Altarraum zu durchschreiten. Während der Improvisation – von der nur die ungefähre Länge abgesprochen, die ihr aber sonst unbekannt war – nahm sie verschiedene Posen (stehend, sitzend, liegend) ein, griff aber auch pantomimische Elemente auf und bezog den Kirchenraum (Figuren / Altar) mit ein, so daß Gesten wie Abkehr oder Hinwendung ablesbar wurden.
Schließlich »befreite« sich die Improvisation auch noch vom Metamorphosencharakter, wurde durch Verzierungen belebt, denen Janine Schneider mit nun schnelleren, auch rhythmisch mehr verankerten Bewegungen folgte.
Mit Bach, einer Fuge, der man gemeinhin Strenge und Struktur unterstellt, kehrte das Programm nun in die systematische und regelbehaftete Musik zurück. Dabei ließ der gerade erfahrene Gegensatz die große Freiheit (und die Freude) empfinden, die Bach mit seinem Ideenreichtum und der Verschränkung der Stimmen erreicht hat – Erdverbundenheit und ein sich aufschwingender Geist schließen einander eben nicht aus. So fand Janine Schneider nun vom Ausdruckstanz in stärker rhythmische und klassische Figuren.
Wie immer konnten die Besucher den Abend unter der Altkaditzer Linde noch dazu nutzen, die Musik ausklingen zu lassen oder mit den beiden »Tänzern« ins Gespräch zu kommen.
13. Juli 2019, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert: 16. August, 19:30 Uhr, Emmauskirche, »Orgel plus Saxophon«