Richard Brasier im Orgelkonzert an der Hofkirche Dresden
In diesem Jahr nehmen die im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ stattfindenden Konzerte in der Katholischen Hofkirche (Kathedrale) Bezug auf die Bewerbung Dresdens als Europäische Kulturhauptstadt 2025 und rücken Organisten und Organistinnen sowie Werke aus allen EU-Ländern, Norwegen und der Schweiz ins Hörfeld. »Und aus Großbritannien« muß man möglicherweise irgendwann sagen, doch gestern präsentierte Richard Brasier (Upminster) »Grüße übers Meer« – noch sind Musik und Organist »dazugehörig«. Aber: sollte man die EU-Mitgliedschaft in einem Konzert, bei Musik thematisieren?
Diese Frage zumindest stellte sich gar nicht, vielmehr ist (musikalisch) interessant, daß der thematische Ansatz dazu führt, verstärkt andere Werke also solche ins Programm zu nehmen, von denen man gemeinhin sagt, sie paßten gut auf die Silbermannorgel.
Gestern waren dies sehr moderne und auch solche, die in England oder für Konzerte (und Instrumente) dort entstanden sind. Arvo Pärt vertonte »Annum per annum«, eine durch Introduktion und Coda gefaßte Messe, in der die Orgel in fünf kurzen, melodischen Sequenzen bzw. Variationen den traditionellen Text wiedergibt, während der moderne »Rahmen« für starke Kontraste sorgte. Richard Brasier lotete den Klang der Silbermannorgel bei den neuzeitlichen, grellen Farben behutsam aus, ohne daß sich Töne überschlugen. Die Grellheit blieb also angemessen, so daß auch Pärts Einleitung, in der er einen stehenden Akkord in seine Einzeltöne zerfallen läßt, angemessen beeindrucken konnte.
Immer wieder aber tauchte eine Farbe besonders auf: ein warmes Gold, am stärksten vielleicht bei Felix Mendelssohns Prelude and Fugue in G – eines der Werke, die der Komponist in England selbst spielte und damit sein Publikum beeindruckte.
Beeindruckend diesmal war (natürlich) Johann Sebastian Bachs großartiger Partita diverse sopra il Corale »Sei gegrüßt, Jesu gütig« (BWV 768). Wie der Organist hier den Klangraum durchschritt, wie Bach immer wieder das Thema variiert, aufbaut, türmt und befreit, verrät größte Meisterschaft.
Und doch waren auch die jüngeren Werke von Joseph Jongen oder Flor Peeters eine passende Bereicherung – ganz wesentlich ist ja, daß ein Stück in den Klangraum aus Orgel und Kirchenschiff »paßt«, sonst bleibt nicht viel mehr, als »mal etwas anderes«. Jongens Scherzetto ist beinahe so minimal wie Pärts Musik, geriet reizvoll belebt. Gleiches läßt sich von John Fields Nocturne Nr. 5 sagen – ein schwebendes, federleichtes Stück auf dem Klavier, behielt es die Federleichtigkeit mit Bläserregistern bei. Flor Peeters Toccata, Fugue et Hymne über »Ave Maris Stella« war schließlich ein klangprächtiger Ausklang und ein passendes »Gegenüber« zu Johann Sebastian Bach.
18. Juli 2019, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert der Reihe in der Hofkirche: 7. August, 20:00 Uhr, Suzanne Z’Graggen spielt Werke von Paul Huber, Dietrich Buxtehude, Peter Planyavsky und anderen.