Fast schon Schluß

Letztes Abendkonzert des Moritzburg Festivals 2019

Noch einmal konnten Besucher spätsommerliche Wonnen mit Kammermusik verbinden: am Sonnabend lud das Moritzburg Festival zum letzten Abendkonzert in die Evangelische Kirche Moritzburg, und noch einmal waren es gleich zwei Konzerte. Denn vorab stellten sich Hayoung Choi und Maciej Kułakowski dem Publikum vor. Wie so oft gab es also ein besonderes »Format« auch im Stück, denn die beiden Stipendiaten (in Kooperation mit der Kronberg Academy) spielten nicht etwa »herkömmliche« Sonaten, sondern Duette für Violoncello.

Joseph Haydn hat eine ganze Reihe solcher Stücke geschrieben, Jean-Baptiste Barrière schneiderte sich (und einem Partner) welche auf den Leib. Nicht zu übersehen (oder vielmehr überhören) sind Niccolò Paganinis Variationen über ein Thema von Rossini. Ob mit wechselnder Rollenverteilung oder auf nur einer Saite »tanzend« – Hayoung Choi und Maciej Kułakowski fanden für Haydn eine gelassene Heiterkeit, die ihnen auch in den sportlich-virtuosen Passagen Barrières oder Paganinis nicht abhanden kam. Noch im Spiel Parforce blieb ihnen Luft für gesangliche Gestaltung und feine Abstufungen. Präzision verbunden mit sinnlicher Attitüde – Chapeau!

Dem stellte das Hauptprogramm zunächst zwei Klassiker gegenüber: Hanns Eisler und Antonín Dvořák. Doch Eislers »Präludium und Fuge über B-A-C-H« für Streichtrio ist noch seltener zu hören als Dvořáks recht frühes Klavierquartett N1 1 D-Dur. Alexander Sitkovetsky (Violine), Ziyu Shen (Viola) und Maciej Kułakowski folgten weniger dem bekannten B-A-C-H-Thema auf melodischem Wege, sondern ließen es in einer Klangsynthese hervortreten, richteten den Blick auf Details und Glieder. So entstand das zwölftönige Trio mit leichter Finesse und wurde nach und nach mit energiegeladenen Betonungs- und Wendepunkten angereichert – von Sprödigkeit keine Spur!

Diese bietet Dvořák noch viel weniger. Sein Quartett ließ schon früh einen hymnischen Gesang durchschimmern, und vor allem bei den Streichern (Kai Vogler / Violine, Ulrich Eichenauer / Viola und Christian Poltéra / Violoncello) konnte man die Stimmen Sopran, Alt und Tenor wiederfinden. Boris Giltburg war einmal mehr ein phänomenaler Begleiter und Mitspieler – pointiert, mit präziser Artikulation und gediegener Klangformung.

Die zweite Hälfte hätte gut ein eigenes Konzert sein können: Joseph Haydns Quartett über »Die sieben letzten Worte« sind gut 70 Minuten lang und fordern von Spielern und Zuhörern viel Aufmerksamkeit. Dem Primarius, hier Stipendiat Nathan Meltzer, weist es neben dem Führen auch die Rolle als konzertanter Solist zu. Meltzer gelang dies hervorragend, steigerte sich von Satz zu Satz immer weiter. Von den vorderen Reihen konnte man zudem gut beobachten, wieviel Vertrauen und Rückhalt ihm die älteren bzw. »gestandenen« Spieler, vor allem Ulrich Eichenauer und Guy Johnston (Violoncello) entgegenbrachten. Schon der Beginn mit den Violinen (Esther Hoppe als Nr. 2) wartete mit Kontrasten auf, setzte stählerne Härte gegen die Sanftheit absteigender Tonleitern. Doch nicht Auf und Ab sind es, die das Werk ausmachen, die Folge der langsamen Sätze bedingt immer wieder ein Innehalten und Verharren – hier die Spannung zu wahren und im Finale »Terremoto« noch angemessen auszubrechen, ist eine hohe Kunst. Daß man sie in Moritzburg beherrscht, ist bekannt. Doch daß ein neunzehnjähriger Stipendiat seine Führungsaufgabe so souverän löste, verblüffte dann doch – wie in manchen derartiger Fälle darf man sich wohl auf ein Wiederhören freuen!

18. August 2019, Wolfram Quellmalz

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