Clara Schumann immer neu entdecken

Ragna Schirmer im Rahmen der 10. Robert-Schumann-Ehrung im Dresdner Coselpalais

Bereits im Juni, um den Geburtstag Robert Schumanns herum, hatten Veranstaltungen der vom Sächsischen Vokalensemble und seinem Leiter Matthias Jung ausgerichteten Robert-Schumann-Ehrung stattgefunden. In diesem Jahr steht, aufgrund ihres Jubiläums, Clara Schumann im Mittelpunkt, im Juni gab es die Uraufführung eines ihr gewidmeten Werkes (Kantate »CLARA!« von Ludger Vollmer, unseren Bericht finden Sie hier: https://neuemusikalischeblaetter.wordpress.com/2019/07/03/clara-die-unfassbare/). So gibt es um ihren 200. Geburtstages (13. September) und den Hochzeitstag der Schumanns (12. September) einen zweiten Teil der Schumann-Ehrung. »Ein Fest für Clara« begann am Freitagabend mit einem Konzert der Pianistin Ragna Schirmer im Pianosalon des Dresdner Coselpalais – kein beliebiger Ort, sondern ein historischer, denn Robert und Clara Schumann nutzten den heutigen Festsaal für Chorproben. Klavierkonzerte gab es hier damals allerdings nicht (die fanden im nahegelegenen Hôtel de Saxe statt).

Nun ist Ragna Schirmer nicht irgendeine Pianistin, die sich ihre Programme nach Jahrestagen und Anlässen zusammenstellt. Clara Schumann ist ihr – wie Robert – seit Jahrzehnten vertraut. In den vergangenen Jahren nahm sie unter anderem Einblick in die über 1300 erhaltenen Konzertzettel Clara Schumanns – Programme, die sie oft mit handschriftlichen Notizen zum Aufführungsort, zum Veranstalter und zum Instrument versah. Nun ist sie unterwegs, spielt die historischen Programme nach, zwei liegen bereits auf CD vor. Für den Auftritt im Coselpalais gab es keine direkte Vorlage, aber Dresdner Bezüge: »Canon« und »Mignon« aus dem »Album für die Jugend« sowie »Eintritt«, »Verrufene Stelle«, »Vogel als Prophet« und »Abschied« aus den Waldszenen von Robert Schumann. Dessen Ehefrau spielte diese Werke oft und erhielt sie dadurch nach seinem Tod lebendig, allerdings stellte sie meistens Lieblingsstücke daraus zusammen und spielte nicht – wie wir es gewohnt sind – den ganzen Zyklus. Doch selbst bei vielen Wiederholungen, die sich in den häufigen Konzerten ergeben mögen (in diesem Jahr werden es 120 sein), findet Ragna Schirmer immer wieder einen augenblicklichen Impuls, läßt den Stücken kleine Szenen entschlüpfen, den Wald rauschen oder den Vogel singen. Dabei »plauderte« der August-Förster-Flügel einmal charmant, doch »leichthin« klang dies nie. Im Gegenteil erblühten die Stücke in leuchtend-rhapsodischen Farben, und im Träumerischen lag eine innige Versunkenheit.

Selbst sie, die Clara-Spezialistin, findet und erfährt immer wieder neues um die Komponistin und Pianistin. Ihrem Publikum entdeckte Ragna Schirmer unter anderem drei Präludien und Fugen, die einfühlsam, emphatisch oder nachdrücklich eröffneten, dann aber gerade in den Fugen mit dem Liedhaften oder beinahe Choral verblüfften, den Clara Schumann in der Struktur verankert hatte.

Nach der Pause gab es zwei der Lieblingsstücke – von beiden Frauen mittlerweile. Selbst die verhältnismäßig häufig gespielte Sonate »Waldstein« war jedoch vom Impuls des Augenblicks gekennzeichnet, war kein soundsovieltes »Abrufen«, sondern von der individuellen Situation der Erfahrung, des Raumes und des Instrumentes geprägt. Mit Impetus und rhythmisch prägnant stürmte Beethoven herein, doch seinem (vermeintlich) schroffen Äußeren wohnte ein sehnendes Herz inne. Ragna Schirmer ließ über dem bestimmenden Puls des Basses die Melodie des Themas perlen und verriet im Adagio die Innigkeit, die Beethoven im Herzen beflügelt haben mag – durchs Dunkel ans Licht – ging es ins Rondeau, das in seiner (befreiten) Lieblichkeit die innige Berührung verriet.

Mit Robert Schumanns drei Phantasiestücken und deren virtuosem Anspruch war es natürlich noch nicht »getan«. Die Versonnenheit spendende »Träumerei« entließ ein zufriedenes Publikum in den späten Abend.

7. September 2019, Wolfram Quellmalz

CD-Tips:

Ragna Schirmer (Klavier), Nora Friedrichs (Sopran), Iason Keramidis (Violine), Julien Heichelbech (Viola) und Benedict Klöckner (Violoncello),  »Madame Schumann«, erschienen bei Berlin Classics

Ragna Schirmer, Staatskapelle Halle (Ariane Matiakh): »Clara« (Berlin Classics), Clara Schumann: Klavierkonzert a-Moll Opus 7, Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert G-Dur, Opus 58

Schon morgen (8. September) geht es weiter: um 15:00 Uhr spielt das Ensemble Mediterrain im Carl-Maria-von-Weber-Museum Dresden-Hosterwitz Kammermusik von Clara und Robert Schumann, am 12. September (Hochzeitstag) präsentiert Gerd Nauhaus die neu herausgegebenen »Jugendbücher« Clara Schumanns, am 13. (Geburtstag) gibt es ein Geburtstagskonzert im Vereinshaus Kreischa

weitere Informationen unter: http://www.saechsisches-vocalensemble.de/

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