Musikalische Weltenwanderer

amarcord ergründen Dunkelheit und Licht in der Frauenkirche

Seit diesem Jahr gibt es im Rahmen der Frauenkirchenmusik das neue Format der Director‘s Lounge mit Daniel Hope, welches interessierte Besucher mit dem künstlerischen Leiter der Reihe im Vienna House QF Dresden zur Nachbesprechung zusammenkommen läßt, um Künstler und Programme zu hinterfragen. Zu zwei Terminen schließt sich daran noch als weiteres Konzert oder ein zweiter Konzertteil die sogenannte »Late night« an: im Oktober wird es nach einem Orchesterauftritt ein kammermusikalisches Konzert geben, am Sonnabend nutzte das Leipziger ensemble amarcord (Wolfram Lattke und Robert Pohlers / Tenor, Frank Ozimek / Bariton sowie Daniel Knauft und Holger Krause / Baß) die beiden Teile für unterschiedliche Blickrichtungen: auf »Benedicamus domino« mit sakralen Werken folgte »Traumlicht«– weltliche, vor allem romantische Lieder. Dabei wandelte sich auch die grundsätzliche Klangfarbe: während zunächst in der Hauptkirche Lobpreisung, Gebete und die Auseinandersetzung mit dem Abschied im Mittelpunkt standen und in der Weite des Raumes für (auch gedanklichen) Nachhall sorgte, war der Lichtanteil oder die Lichtzugewandtheit der »Late night« in der Unterkirche dann größer. Doch die Trennschärfe zielte nicht auf schwarz und weiß oder ernst und unterhaltsam.

Die Konzentration war gerade im ersten Konzert hoch. Mit farblich prächtigen Werken Darius Milhauds (Psalm 122) und Francis Poulencs vier kleinen Gebeten (nach Franz von Assisi), Worten der Hinwendung, begann der Abend und führte von dort bis zu Hugo Wolfs »Letzte Bitte«, Peter Cornelius »Grablied« (nach Schuberts »Der Tod und das Mädchen«) sowie Franz Schuberts »Grab und Mond« (D 893). Das wirkte in dieser Konzentration tiefgründig und dunkel, beinahe bedrückend. Doch: wann hat man schon Gelegenheit, so etwas zu erleben? Die weltzugewandten Amarcordianer versäumten dabei nicht, Zeitgenossen wie Siegfried Thiele (»Zwischen oben, zwischen unten«) oder Bernd Franke (»Your Children«) zu berücksichtigen und reisten mit Sidney Marquez Boquiren (»Gloria«) und Krzysztof Penderecki (»Benedictus domino«) um die Welt. In der (hohen) Qualität blieben sie sich treu – nachvollziehbar in jeder Stimme, aber auch die Bearbeitungen waren individuell und kaum einem »Schema« folgend. Pendereckis Verknüpfung einer Antiphon mit dem Psalm 117 beeindruckte mit seiner konzisen Deutung der Texte und der konzentrierten Dramaturgie der Stimmen. So wurde es zwar »dunkel«, aber nicht bedrückend.

Drei Möglichkeiten, den Abend fortzusetzen, kündigten amarcord anschließend an, um gleich anzufügen, daß sich der dritten niemand entziehen könne »weil sie so viel geklatscht haben« – Nicolai Petrovs Vaterunser als Zugabe erklang voll milder Zuversicht.

Die »Late night« eine gute Stunde später war schließlich unterhaltender, obwohl die Ernsthaftigkeit dabei erhalten blieb. Wie bei Johannes Brahms, den es »vergnüglich« (»Der Fiedler«) und »ernst« (»In stiller Nacht«) zu erleben gab. Auch mit Richard Strauss loteten die fünf Sänger in Sinnentiefe (»Traumlicht«) und vergnüglichen Reigen (»Fröhlich im Maien«). Noch einmal gab es »Ausflüge« rund um die Welt, zu Camille Saint-Saëns und Charles Ives, aber auch zum Leipziger Carl Reinicke oder zu Fanny Hensel. Bei ihr (»Hörst du nicht die Bäume rauschen«) mußte man allerdings weniger Intimität als beim solo vorgetragenen Lied feststellen, doch solche Geschmacksfragen stellen sich bei amarcord-Besuchern eher nicht.

Daniel Hope wohnte dem zweiten Teil übrigens nicht nur bei, sondern mischte sich ein. Manchmal mit Ein- und Überleitungen, dann als »Illustrator« (Brahms‘ Fiedler) sechste Stimme (Max Reger »Das Lieben bringt groß‘ Freud‘«). Das letzte Wort galt schließlich Schuberts »Die Nacht«

15. September 2019, Wolfram Quellmalz

Die nächste »Late night« gibt es am 5. Oktober im Rahmen der Frauenkirchen-Bachtage: Katta (Orgel) und Daniel Hope spielen ab 22:00 Uhr Werke von Johann Sebastian Bach, Arvo Pärt sowie eigene Kompositionen der Organistin. Zuvor am selben Abend sind beide gemeinsam mit Willi Zimmermann (Violine) und dem Zürcher Kammerorchester (»Bach and friends«) zu erleben.

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