Wiederaufführung nach 300 Jahren
Wer über die Oper »Giove in Argo« (»Jupiter in Argos«) recherchiert, stößt zunächst auf die Komposition Georg Friedrich Händels, dabei wurde dessen Pasticcio erst 1739 im Londoner Haymarket Theatre aufgeführt. Erstmals war das Libretto Antonio Maria Lucchinis schon 22 Jahre zuvor durch Antonio Lotti vertont worden. Das ist an sich noch nichts Besonderes – die damals oft mythischen Stoffe wurden in vielen Fällen von verschiedenen Komponisten verarbeitet. So hatte Antonio Lotti auch eine »Teofane« geschrieben, von der bereits eine Händel-Fassung vorlag, und darin Arien des Kollegen im Parodie-Verfahren verwendet.
Beide Lotti-Opern wurden 1719 in Dresden im Rahmen der Feierlichkeiten zur Hochzeit Kurprinz Friedrich August II. und Maria Josephas von Österreich aufgeführt, und ein gewisser Mr. Händel aus London war dabei auch zugegen. Im Rahmen des 300-jährigen Jubiläum stand die sagenhafte Hochzeit am vergangenen Sonntag gleich mehrfach in den Programmen, denn nachdem sie die Staatskapelle bereits in ihrem Geburtstagskonzert aufgriffen hatte, kam nachmittags »Giove in Argo« von Antonio Lotti im Palais im Großen Garten zur Aufführung.
Das Melodrama pastorale war sozusagen ein Hochzeitsgeschenk von der Neiße: verantwortlich war der Ars Augusta e. V. aus Görlitz. Dessen Leiterin Eleni Ioannidou hatte vor drei Jahren bereits das Lausitzer Barockensemble ins Leben gerufen, das nun mit Solisten nach Dresden gekommen war.
Worum geht es in »Giove in Argo«? Ein Tyrann hat den König von Argos ermordet, wird aber vom Volk vertrieben – Zeit für den Auftritt der Hirten. Denn sowohl Osiris (Erasto) wie auch Jupiter (Arete) haben sich als solche verkleidet. Beide begehren eine Frau, doch das es nicht dieselbe ist, dafür braucht es einige Szenen. Außerdem muß der Tyrann am Ende natürlich besiegt werden – was gelingt. Jupiter und der Liebesgott Amor erstrahlen im Glanz …
Nun kann man derlei Verwirrspiele vorhersehbar finden, doch waren sie schließlich zum Vergnügen und für eine Hochzeit geschrieben. Das Vergnügen war am Sonntag ganz auf der Seite des Publikums, musikalisch wie szenisch begründet. Mit Radosław Pachołek stand dem Ensemble ein erfahrener Countertenor zur Verfügung, der mit Höhe und Kraft heldisch strahlte und spielerisch überzeugte. Sein Arete hatte auch Fehler, näherte sich schon bald recht dreist der schlafenden Iside (Nana Bugge Rasmussen). Die dänische Mezzosopranistin war eine der vielen Frauenrollen, die höchst unterschiedlich agierten: schon hier konnte sie flackernd zürnen, später schöpfte sie aus der Verzweiflung Energie, wobei sie das Orchester ebenso feurig unterstützte. Auch Elvire Beekhuizen in der Rolle des Erasto und Aleksandra Hanus (Calisto) brachten nicht wenig Farbe in den Festsaal des Palais.
Es war eine Wiederentdeckung und vermutlich Wiedererstaufführung nach 300 Jahren – auch musikalisch ein Vergnügen, denn das kleine Ensemble wußte Antonio Lottis Musik mit Streicherchor, Oboe, Flöten und Naturhörnern prunkvoll und vital in Szene setzen. Dirigent Enrique Gómez-Cabrero Fernández konnte auf die Erfahrung seiner Musiker vertrauen und ihnen manche Freiheiten erlauben, Soli auszuführen oder kleine Kadenzen (Helmut Riebl) einzufügen. Originell waren auch Bühne und Kostüme (Jerzy Basiura), die ohne minimalistisch zu wirken mit geringem Aufwand den spielerischen Reiz unterstrichen (Regie: Szymon Komarnicki). Eigentlich schade, daß es nur eine Aufführung gab!
23. September 2019, Wolfram Quellmalz
Im Palais im Großen Garten ist seit dem 7. September und noch bis zum 20. Oktober die Sonderausstellung »Kaiserschmarrn – Das Venusfest im Großen Garten 1719« zu sehen.