Jubiläum mit den Landeskirchenmusiktagen gefeiert
In den letzten Wochen und Tagen hatte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen vor allem wegen der Vorgänge um den mittlerweile zurückgetretenen Landesbischof Carsten Rentzing Aufmerksamkeit bekommen. Natürlich ist sein Grußwort zu den Landeskirchenmusiktagen »Spiel-räume« in Dresden lange vorher entstanden, aber daß dies kommentarlos (und ohne Einleger oder ähnliches) in Programmheft und Begleitmaterial verblieb, befremdete dann doch (ebenso, daß der Landesbischof noch heute, 27. Oktober, auf der Internetseite www.evlks.de nach wie vor mit »Herzlich willkommen« begrüßt). Dies sei, wenn auch nur am Rande, so wegen der Tragweite doch angemerkt.
Immerhin: die Landeskirchenmusiktage sind ja keine losgelöste Veranstaltungsreihe, sie wenden sich an die Menschen, ob sie nun in der Kirche (auch deren Verwaltung) arbeiten oder als Gläubige, Christen oder Aufgeschlossene kommen. In der vergangenen Woche gab es zahlreiche Veranstaltungen, von der Andacht (Frauenkirche) über ein Orgelkonzert im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ (Kulturpalast) bis hin zum heutigen Abschlußgottesdienst in der Kreuzkirche.
Am Donnerstag erinnerte ein Festkonzert in der Dreikönigskirche an den besonderen Anlaß, den es dabei in diesem Jahr zu feiern gibt: vor 70 Jahren wurde die Hochschule für Kirchenmusik in Dresden von Martin Flämig gegründet und richtet mit ihrem Träger einen besonderen Fokus auf den Zusammenhang von Kirche (also auch Liturgie) und Kirchenmusik. Daß das Feiern nicht selbstbezogen war, bewies die Anwesenheit und Beteiligung des Chores der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Halle und deren Rektor Peter Kopp – Musikfreunden seit langem wegen seiner Arbeit im Kreuzchor und mit dem Vocal Concert Dresden bekannt. Er und Stefan Lennig, Rektor der Dresdner Hochschule, teilten sich dabei in ein abwechslungsreiches Programm mit dem aus beiden Institutionen gebildeten Gesamtchor.
Zur Aufführung kamen nicht nur Werke des für Mitteldeutschland so wichtigen Komponisten Gottfried Homilius oder von Johannes Brahms, auch die zeitgenössische Musik und die Angehörigen der Hochschulen waren auf besondere Weise inbegriffen: von Matthias Drude (Lehrbeauftragter Musiktheorie, Partiturspiel und Gehörbildung) war das »Adagio für Orgel und Blechbläser« (2005) zu hören, Franz Kaern-Biederstedt steuerte ein »Dorisches Sanctus und Osanna« für Blechbläser bei, Christian Ridil sein »Der Herr ist mein Hirt« für Chor, Blechbläser und Orgel. Den feierlichen Blechbläserglanz steuerten Mitglieder der Sinfonietta Dresden bei.
Am bemerkenswertesten war sicher die Uraufführung: Günter Schwarzes Geburts- entspricht dem Gründungsjahr der Hochschule für Kirchenmusik in Dresden. Auch er bezog sich in seinem Werk auf Worte und läßt es mit »Der Herr ist mein Hirt« (23. Psalm) beginnen. Abwechselnd zunächst »schritt« der Chor von traditioneller Harmonik zu modernen, mitunter unbequemen Klängen, welche Worte hervorzuheben, zu hinterfragen schienen. Begleitet wurden die Sänger vom Spiel mit Glasglocken (Georg Wieland Wagner), welche zunächst Betonungszeichen setzten, dann aber zu einer eigenen Stimme zu wachsen schienen. Daß eine der Glocken während der Proben zerbrach und – pragmatisch – durch eine »gleichtönige« Fliese ersetzt wurde, schien da irgendwie passend für die Brüchigkeit der Welt, der Gegenwart, für das Bedürfnis nach Sicherheit ebenso wie für die Notwendigkeit, auch überlieferte, »sichere« Worte stets neu zu hinterfragen, Sinn zu leben.
27. Oktober 2019, Wolfram Quellmalz
Buchtip: Matthias Herrmann (Herausgeber) »Martin Flämig. Vom Wirken eines Kreuzkantors«, Briefe, Interviews, Reden, Texte, Tectum-Verlag, Broschur, 334 Seiten, 29,95 € (Unsere Rezension finden Sie in Heft 23, erreichbar hier: https://neuemusikalischeblaetter.wordpress.com/hefte-als-pdf-zum-herunterladen/)