Faszinierender Komponist

Musikhochschule widmet György Ligeti zur Opernpremiere ein ganzes Wochenende

Am Sonntag feierte »Le Grand Macabre« von György Ligeti (1923 bis 2006) an der Sächsischen Staatsoper Premiere (unser Bericht in Heft 35), die Dresdner Musikhochschule nahm dies für ein ganzes Symposium über den Komponisten zum Anlaß. Am Sonnabend ging es um die Entstehungsgeschichte der Oper »Le Grand Macabre« bis zur Hinterfragung der Ambivalenz in den Werken Pieter Breughels, am Sonntag wurde die Reihe mit den Themen Apokalypse und das Makabre sowie die Dresdner Neuproduktion fortgesetzt. Vorläufiger Höhepunkt und ein schöner »Einstieg« für Premierenbesucher war das Portraitkonzert am Sonnabendabend.

Nur drei Werke hatten Tomas Westbrooke und die Musiker des Ensembles El Perro andaluz auf den Pulten liegen, wenig mehr als zu den Veranstaltungen des »Short concert«, doch in dieser konzisen Konzentration lag eine ungeheure Spannung. Zu Beginn zeichneten I-Shan Lu und Torsten Reitz (Klavier) das »Selbstportrait für zwei Klaviere« des Komponisten, das 1976 entstand, also in jener Zeit, in der Ligeti auch »Le Grand Macabre« schrieb (1974 bis 77). Das um einen immer neuen, repetierenden Impuls gewobene Portrait ist von kleinen, teils winzigen Variationen geprägt, und doch trägt es eine unmißverständliche, individuelle Signatur. Mit feiner Artikulation und Rhythmik zeigte sich, wie auf kleinstem tonalen Raum eine große Idee entstehen kann!

In »Ramifications« (Verzweigung) und dem »Kammerkonzert für dreizehn Streichinstrumentalisten«, beide zwischen 1967 und 69 entstanden, hatte Ligeti verschiedene Verfahren der Variation oder Abwandlung bereits erprobt. »Ramifications« ist auf zwei nicht symmetrische Instrumentengruppen verlagert, deren Stimmung um einen Viertelton verschieden ist. Damit erreicht Ligeti Schwebungen, einen Stillstand »in der Luft«, der ihm aber auch die Möglichkeit der Unmerklichkeit eröffnet. El Perro andaluz fand in der Musik Bewegung, Geschwindigkeit, Farbe, Temperatur – Ligetis Komposition ist keine Filmmusik, welche einer Szene unterlegt wird, sie ist die Szene selbst! Wenn dabei sämtliche Parameter verändert werden, verliert sie die Konturen und bekommt etwas Zauberisches, Phantastisches.

Die leeren Takte nach den Stücken dirigierte Tomas Westbrooke mit (beinahe) schauspielerischer Attitüde – es war, als müßte sich der Nebel über der Szene lichten, als verschwinde etwas – mehr als nur ein Klang. Auch die Instrumentalmusik arbeitet mit minimalen Strukturen, doch ist sie viel komplexer und weiter als eine »Minimal Music« – und läßt diese langweilig erscheinen. Ob mit Clustern oder Akkordverschiebungen – es sind die konzentrierten Bezüge, die Verwebungen und die Impulsivität, die bei György Ligeti nicht allein dem Zufall ausgeliefert ist, sondern einen natürlichen Fluß in sich trägt. El Perro andaluz verlor sich nicht in strukturellen Ausforschungen, sondern fand gerade im Kammerkonzert expressive Gesten und exotische Farben, welche Instrumente wie Cembalo und Hammond-Orgel ermöglichen.

4. November 2019, Wolfram Quellmalz

Nächstes Short concert: Mittwoch, 13. November, 17:00 Uhr, Konzertsaal der Musikhochschule Dresden, Werke von Perotinus Magnus, Steve Reich und György Ligeti

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