Wechselspiele in D

Herbstkonzert in der Bautzener Ortenburg

Am Mittwoch lud der Verein Musik im Oberverwaltungsgericht zu seinem Herbstkonzert in den Stucksaal der Bautzener Ortenburg. Doch statt sich nach dem (an diesem Abend windigen) Wetter zu richten oder Themen wie Tristesse oder Jagd aufzugreifen, setzten Annette Unger (Violine) und Zhora Sargsyan (Klavier) dem »Herbst« das fröhliche D-Dur entgegen – alle Werke dieses Abends waren in der »freudigen« (Marc-Antoine Charpentier) Tonart gesetzt. Das schränkte die Spielarten keineswegs ein, denn D-Dur kann durchaus »scharf« (Johann Mattheson) klingen. Und Christian Friedrich Daniel Schubart attestierte ihm einen »triumphalen« Charakter, der durchaus bis ins »Hallelujah« zu steigern sei.

Doch um grundsätzliche Festlegungen ging es weniger. Die »Spielarten« der Kompositionen zeigten sich verästelt und vielschichtig, schon in der Rollenverteilung. Denn früher war es – anders als heute gewohnt – durchaus so, daß das Pianoforte (zumindest musikalisch) im Vordergrund stand und der Violine die Begleitung vorbehalten war. Mit Mozart und Beethoven begann sich dies zu wandeln, was sich noch heute an ihren Werken ablesen läßt. Als Ludwig van Beethoven 1798 seine Sonate per il Clavicembalo o Forte-Piano con un Violino Opus 12 Nr. 1 veröffentlichte, war die Violine – trotz Nennung an zweiter Stelle – längst der Begleiterfunktion entwachsen. Und schon mehr als zwanzig Jahre zuvor hatte Wolfgang Amadé Mozart, durch die Duetti à Clavicembalo e Violino des Dresdner Komponisten Joseph Schuster angeregt, seine Violinsonate KV 306 verfaßt.

Dem etwas ruppigen Wind auf dem Burghof setzten Annette Unger und Zhora Sargsyan zunächst aber die sanftmütige Sonate D 384 von Franz Schubert entgegen, die den Abend elegant eröffnete, aufwärtsgerichtet mit dem heiteren Licht zu spielen schien. Sogleich aber zeigte sich auch die Raffinesse des genialen Komponisten, der im Detail verblüffen und in Wendungen überraschen kann. So wie am Beginn des Andantes, das sich nicht eindeutig zu erkennen gibt – genausogut hätte Schubert ein graziles Menuett beginnen können. Beide Partner, die an dieser Stelle erstmals gemeinsam auftraten, waren offenbar schon erfahren im Umgang miteinander und konnten mit kleinen Rückungen (im Aufwärtsdreiklang des ersten Satzes) und Betonungen beleben.

Mit Beethoven (vor der Pause) und Mozart (danach) erübrigte sich jegliches Theoretisieren ob Führungsanteilen oder Entstehungszeit – viel zu hoch ist die Meisterschaft der Komponisten, die sich nicht herausstellt, sondern musikalisch erspüren läßt. Beethovens energiegeladene Fröhlichkeit war schlicht mitreißend, war geprägt von einer wunderbaren Artikulation der Violine und einer hingebungsvollen »Begleitung«, die ebenso beiläufig untermalen wie perlend brillieren konnte.

Mozart war nicht minder energisch – er ließ seine Sonate sprudeln, gab ihr aber noch die Anmut höfischen Glanzes mit. Sein Andantino cantabile war nichts weniger als eine auf die Violine übertragene Arie, und noch dem Allegretto verlieh Annette Unger den Charme eines Liedes.

Von hier war der »Sprung« zu Sergej Prokofjew (Sonate Opus 94b) sicherlich am größten, der Kontrast zur Moderne, zur beinahe sportlichen Virtuosität hätte fast als Bruch empfunden werden können, doch war auch hier alle Theorie »Schnee« (oder Sonnenschein?) von gestern – wenn ein Moderato so schwärmerisch erklingt. Das Allegro con brio schloß den Abend – vorläufig – tänzerisch. Mit Gabriel Faurés Berceuse gaben Annette Unger und Zhora Sargsyan schließlich noch eines zu.

28. November 2019, Wolfram Quellmalz

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