Bruno Weil musiziert mit der Staatskapelle Haydn und Stamitz
Mit dem zweiten Aufführungsabend präsentierte sich die Sächsische Staatskapelle erneut als (Wieder-)Entdecker. Neben zwei Sinfonien Joseph Haydns gab es Carl Stamitz‘ Violakonzert Opus 1 mit dem Solobratschisten des Orchesters, Florian Richter, zu erleben.
Schaut man sich Portraits von Haydn oder Stamitz an, so tragen beide oft einen Zopf (oder zumindest eine Perücke). Daß ihre Musik deshalb auch »verzopft« sei oder klinge, ist mittlerweile widerlegt. Schließlich wird sie mit jedem Spielen neu geschöpft – kein Mensch käme auf die Idee, dafür eine Perücke (mit Zopf) aufzusetzen. Und selbst beim wiederholten Male kann man neues daran entdecken, bewies der Aufführungsabend am Dienstag in der Semperoper. Denn Joseph Haydns Sinfonie Nr. 103 »Mit dem Paukenwirbel« – sicherlich nicht selten gespielt – offenbarte für aufmerksame Ohren nicht nur manche Finesse, sie zeugte nicht weniger von Haydns Humor.
Den muß auch Nikolaus Esterházy gehabt haben, sonst wäre Haydns ergötzliche Musik doch an ihm verloren gewesen. Mit der über zwanzig Jahre vor der »Londoner« 103 entstandenen Sinfonie Nr. 46 wartete der Komponist neben der ungewöhnlichen Tonart (H-Dur, bei Haydn ein Solitär, weder Beethoven noch Mozart schrieben H-Dur-Sinfonien) nicht mit einem Wechsel von Streichern und Bläsern auf, sondern mischte schon im Thema zu Beginn die Streicher mit Hörnern, Oboe und Klarinette, sorgte mit dem Fagott für Kontrast – eine vergnügliche, fein herausgearbeitete Zauberei! Bei einem Dirigenten wie Bruno Weil, der neben der »Schöpfung«, der »Heiligmesse« und der Missa »Sunt bona mixta malis« an die 30 Sinfonien Joseph Haydns aufgenommen hat (zuletzt aus den »Londoner Sinfonien«, erschienen bei ARS Produktion), erwartet man sicherlich einen besonderen, einen packenden Zugriff. Doch ausgerechnet den blieb Bruno Weil dem Publikum schuldig, war sehr auf Details und den Takt zu halten bedacht, so daß jene Freiheit (des Taktes) fehlte. Gerade in langsamen Sätzen schien dieser Haydn wenig lebensfroh.
Wie anders klang da der in die Mitte gebettete Carl Stamitz! Unser Blick auf die Viola hat sich in den letzten Jahren genauso gewandelt wie der Blick auf die Zöpfe (Hat er doch?!). Auch wenn Bratschisten selbst Bratscherwitze sammeln, hat das musikalisch noch keinen Wert. Manche versuchen, mit der Viola die Virtuosität einer Violine zu erreichen – und verkennen ihren Ton. Wenn Komponisten allerdings das Instrument selber spielten und schätzten, haben sie ihm schöne, stimmgerechte Werke geschrieben – so Carl Stamitz. Florian Richter ließ ihm Gerechtigkeit widerfahren, doch weniger als Akt der »Beweisführung«, sondern als poliere er einen Edelstein auf und zeige ihn her. Seine Viola erstrahlte in den schönsten Lagen, klang wie flüssiger Bernstein, und mit dem Andante moderato wurde klar – neben dem Alt liegt ihr vor allem der Mezzosopran, das Andante gereichte zur Arie – wer ließ sich davon nicht verzaubern?
Henri Vieuxtemps galt zwar als Violinvirtuose, doch auch er wußte die Bratsche in Szene zu setzen. Seine Caprice-hommage à Paganini Opus 9 fügte Florian Richter als Entdecker-Zugabe an.
29. Januar 2020, Wolfram Quellmalz