Dresdner Bläserphilharmonie erinnert an ihren verstorbenen Chefdirigenten
Vor zwei Jahr hatten Stefan Fritzen und sein Orchester den Dresdner Kulturpalast unter anderem mit Friedrich Guldas Konzert für Violoncello und Blasorchester musikalisch erobert, im vergangenen Jahr nahm der Mitgründer und langjährige Leiter hier seinen Abschied. Elf Jahre zuvor hatte er gemeinsam mit Christian O. Gruhl die Dresdner Bläserphilharmonie (damals noch »Dresdner Stadtkapelle«) gegründet – mit anfangs gerade drei Musikern. Mittlerweile füllen an die achtzig zu den Konzerten die Bühne. Stefan Fritzen war ihnen nicht nur ein Motivator und Mentor, der einen Qualitätsbegriff prägte, er sorgte auch mit seiner Programmauswahl für Vielfalt. Im vergangenen Jahr ist er, nur zwei Tage nach seinem 79. Geburtstag, verstorben.
Den Staffel- bzw. Dirigentenstab hatte er nach dem Konzert im Januar bereits weitergereicht. Andrea Barizza, unter anderem als Assistent von Michael Sanderling mit dem Raum vertraut, leitet seitdem die Konzerte der Bläserphilharmonie. Im Gedenken an und im Sinne Stefan Fritzens hatte Barizza am Sonntagabend Werke von Richard Strauss und Karel Husa aufs Programm gesetzt sowie solche von Edward J. Madden und Rolf Rudin, die für das spezielle Repertoire von sinfonischen Blasorchestern geschrieben haben. Ludwig van Beethovens Egmont-Ouvertüre wiederum war fast ein Stück »historischer Aufführungspraxis«: Einst, zu Beginn der Schellackplatte, haben Flöten, Oboen und Klarinetten wegen ihrer größeren Durchdringung häufig die Streicherstimmen bei Aufnahmen gespielt.
Doch »Durchdringlichkeit« allein ist es nicht, was zählt. Vielmehr offeriert auch eine Bläserphilharmonie Farben- und Ausdrucksvielfalt, sinniges – sinfonisches – Zusammenspiel. An Richard Strauss »Feierlicher Einzug« und Edward J. Maddens »Elegy for solo Tuba« (im Gedenken an Stefan Fritzen gespielt) waren die Bläser nicht allein beteiligt – Klavier, Harfe und ein Kontrabaß flankierten das Orchester, in dessen Hintergrund zahlreiche Schlagwerker agierten. Während Strauss auf seine Weise typisch und unverkennbar blieb und bereits die einfühlsame Seite des Orchesters zeigte, kamen mit Maddens Trauermusik noch viele leise Töne hinzu. Solist Dominik Nuss, Akademist der Sächsischen Staatskapelle, entlockte seinem Instrument mühelos geschmeidige, lyrische Töne.
Rolf Rudin hatte in »World why die II?« im Gedenken an die Opfer des 11. September einen Kathedralklang geschaffen, der, wiederum mit Schlagwerken, viele Dissonanzen enthält, welche jedoch als Teil des Raumes bzw. des Lebens im Werk integriert blieben.
Mit Karel Husas »Music for Prague 1968« stand schließlich eine ganze Sinfonie auf dem Programm, die – anders als Strauss und Beethoven zuvor – für diese Besetzung geschrieben ist. Mit Marimba- und Vibraphon, den immer wieder an Prags Kirchenglocken erinnernden Schlagwerken und weiteren Kontrasten zeigte Andrea Barizza, welche Vielfalt in einem Ensemble steckt, das beileibe kein »Blasorchester«, sondern eben eine Bläserphilharmonie ist. Eine Besonderheit, ein Exot – möge er auch in Zukunft durch kundige Hände gepflegt und behütet bleiben.
Prof. Milko Kersten hatte als Präsident des Sächsischen Musikrates sowie als Mentor für Musiker durch das Programm geleitet. Für Gedenken und Erinnerung sorgte noch einmal eine Zugabe: »Lied ohne Worte« von Rolf Rudin, einem Wegbegleiter des Orchesters und von Stefan Fritzen.
24. Februar 2020, Wolfram Quellmalz