Interaktion mit dem Cello

Zum 65. Geburtstag des Komponisten Friedemann Schmidt-Mechau

Matthias Lorenz hatte in Soloabenden der Reihen »Bach heute« und »Alte Meister« wie mit dem Elole-Klaviertrio bzw. (seit 2018) dem Neuen Klaviertrio Dresden bereits viele Werke Friedemann Schmidt-Mechaus aufgeführt. Zum 65. Geburtstag des Komponisten standen am Donnerstag im Projekttheater vier Stücke für Violoncello solo auf dem Programm. Natürlich waren sie keine »Retrospektive«, nicht nur wegen der speziellen Festlegung auf das Instrument, sondern auch, weil Friedemann Schmidt-Mechaus Œuvre weit vielfältiger ist. Die Stücke waren aber Ausdruck einer seit 30 Jahren währenden Künstlerfreundschaft, einem Dialog und Austausch, der sich fruchtbar in den Werken niedergeschlagen hat.

Beginnend mit »Aposiopesis« (etwa »Beginn des Schweigens«) von 1990, welches Matthias Lorenz im Rahmen eines Sommerkurses für zeitgenössische Musik in Wien aufführte, über »Morgenlachen« (1997) und »Fehlversteck« (2007) – beide Werke für den Solisten komponiert – führte das Programm bis zur Uraufführung des im letzten Jahr für diesen Abend geschriebenen »Ent-Gegnung«. Nicht nur da stand eine Interaktion von Spieler, Instrument und Raum im Vordergrund – Friedemann Schmidt-Mechaus Stücke erwiesen sich als experimentelle Klangsuche, die den Vorwurf, zeitgenössische Musik enthalte weder Melodie noch Rhythmus, klar widerlegte. Nicht nur, weil er den Spieler zuweilen auf den Korpus seines Instruments klopfen läßt, daß eine fast jazzig-afrikanische Sequenz entsteht, sondern gerade, weil er immer wieder eine elementare Zerlegung von Musik erreicht. Der Ton und seine Erschaffung sind die Grundlage, an der man ebenso teilhaben konnte wie am bewußten Wahrnehmen von einzeln stattfindenden Ereignissen und solchen, die sich wiederholen und damit die Frage stellten, ob mit der ersten Wiederkehr eines Pulses ein Rhythmus gegeben sei.

Wie so oft in den Konzerten von Matthias Lorenz war das Erlebnis die Erstehung von Klang, Geräuschen, Musik dominierend, was den Raum, die Umgebung mit einschloß. Licht und Kubatur trugen daher ebenso (wenn auch nachgeordnet) bei, was spätestens bei »Morgenlachen« deutlich wurde: der Solist entlockte seinem Instrument weiche, schlagende, sperrige Töne, manches klang wie das Tropfen von Wasser oder das eines Tennisballs, der auf der Tischplatte zur Ruhe kommt. Doch das Cello durfte (sollte) auch knarzen – nach einem besonders geriebenen, knirschenden Ton stand sekundenlang ein Staubnebel aus Kolophonium in der Luft.

Die Geräuschkulisse der Stücke Friedemann Schmidt-Mechaus ist wahrlich beeindruckend und regt zum Nachdenken über Ursprung oder Deutung an. Sie reicht von gestrichenen Tönen über einen fast sinnlichen Gitarrensound bis zur Ruhe einer Pause oder gar stummen Gesten. Immer wieder haben auch Worte Bedeutung in den Werken, weil der Solist sie während des Spielens spricht oder weil er sie mit dem Bogen artikuliert (»Fehlversteck«). Dabei schien die Musik gleichermaßen frei, wie sie oft eine strukturelle Basis hat, um die herum sie sich entwickelt, weil sie um einen Ton (A, wie in »Aposiopesis«) kreist oder weil sie mathematische Zahlenfolgen implementiert. Zwischen Spieler und Instrument, Sprech- oder Sing- und Instrumentenstimme ergaben sich immer wieder Reflexe, die mehr als nur ein Echo enthielten. Das bezog die Umgebung zuweilen ein – war das scheinbar echte Tropfen von Wasser oder jemand auf der Treppe ein zufälliger Impuls von außen oder so bezweckt?

Im Stück »Ent-Gegnung«, mit dessen Uraufführung der Abend endete, fand das Prinzip von Interaktion oder Aktion – Reaktion noch eine Steigerung. Mit gesungenen, gesummten und gesprochenen Passagen war es auch jenes Werk mit der größten »Zweistimmigkeit«. Dennoch, gerade weil die Bezüge hier nicht immer direkt waren, blieb es weniger faßbar, schien nicht so bestimmt wie die Werke zuvor, zumindest beim erstmaligen Hören.

6. März 2020, Wolfram Quellmalz

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abgesagt: 22. März 2020, 11:00 Uhr, Festspielhaus Dresden-Hellerau: Komponisten zum Frühstück, das Ensemble Courage spielt Werke von Manos

5. Juli 2020, 18:00 Uhr, Projekttheater Dresden und 7. Juli 2020, 19:30 Uhr, Stadtbibliothek Leipzig: Fokuskonzert 1, das Neue Klaviertrio Dresden spielt Werke von Michael Wertmüller (UA), Stefan Streich (UA), Jürg Frey und Stefan Streich

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