Erfrischender Penderecki, entzückender Dvorák

Dresdner Philharmonie brilliert mit Einspringer Maciej Tworek

Eigentlich hatte Krzysztof Penderecki nach seiner Residenz 2017 / 2018 mit einem Werk sowie als Dirigent in den Kulturpalast zurückkehren sollen, aber für das Konzert am frühen Sonntagabend mußte der 86jährige gesundheitsbedingt absagen. An seiner statt übernahm Pendereckis langjähriger Assistent Maciej Tworek. Da er mit den Werken und dem Komponisten bestens vertraut ist, durfte man eine ungeminderte Aufführung erwarten.

Krzysztof Penderecki hätte sein Stück auch als »Konzert« oder »Konzertstück« bezeichnen können, denn das Concerto grosso für drei Violoncelli und Orchester verriet wenig Anklänge an die Tradition. Formal mögen sie gegeben sein, doch ist das Werk einerseits durch drei gleiche Instrumente mit unterschiedlichen Stimmcharakteren gekennzeichnet, andererseits offenbart es sich trotz in einer Einheit gebundener sechs Sätze eher als serielles Stück. So oder so bietet es dem Zuhörer manche Entdeckung: die Rollen der drei Solisten gerieten bis in ihre Kadenzen höchst unterschiedlich. Während László Fenyö am Cello Nr. 1 einen romantischen Gestus pflegte, war Tatjana Vassiljeva (nach offizieller Zählung die »3«) für verfremdete, leicht metallische Klänge verantwortlich. Daß Andrei Ioniţă als »Nr. 2« dazwischen weniger prägnant blieb, lag wohl mehr am Werk als am Spieler.

Die Gegenüberstellung von Tutti und Concertino hat Penderecki zwar nicht aufgehoben, jedoch verwischt, und selbst dann, wenn sich die drei Solisten in einem scheinbaren Einklang fanden, wurde die Homogenität durch Schwebungen aufgehoben. Solcherlei Reizpunkte enthielt das Werk viele, Maciej Tworek sorgte mit einer klaren Durchsichtigkeit für gehörigen Wind in den marschartigen Passagen, belebte die Folge durch packenden, eilenden Zugriff, verweilte jedoch in Ruhemomenten. Der Trauermarsch des Beginns war durch den Weckruf des Horns aufgehoben, im Verlauf sorgten immer wieder gerade die Holzbläser für Erquickung oder stimmten (Oboe) einen Klagegesang an. Das Finale fand mit einem Quartett aus Cellisten und Englischhorn einen gediegen-elegischen Schluß.

Weitere solcher geradezu lustvoller Farbspiele offenbarte Maciej Tworek in Antonín Dvořáks achter Sinfonie – in Hülle und Fülle! Gerade mit dem großen Orchesterapparat schuf er zuweilen zarte Kontraste, die aus feinen Soli (Flöte: Karin Hofmann, Oboe: Johannes Pfeiffer) erwuchsen. Verblüffend war die Emotionalität, ja Wucht, die Tworek zu entfesseln wußte, obwohl er seinem Schlankheitsideal treu blieb. Dem Ansatz, daß der Böhme Dvořák auch »böhmisch«, also deftig- schwungvoll klingen müsse, folgte er zumindest nicht. Im Gegenteil – gerade der fröhliche Tumult im vierten Satz, der gerne ein wenig zum Poltern neigt, war von klarsichtiger Raffinesse geprägt, das Allegretto grazioso an dritter Stelle atmete wunderbare Eleganz. Mit Präzision, jedoch nicht steriler, sondern lebensvoller, begeisterte Maciej Tworek Philharmonie und Publikum und dürfte gerade für Penderecki ein paar neue Ohren hinzugewonnen haben.

2. März 2020, Wolfram Quellmalz

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