Konzert »Lauda sion« im Kulturpalast
Seit 1952 möchte die jeweils im März veranstaltete »Woche der Brüderlichkeit« zum respektvollen Zusammenleben von Christen und Juden beitragen. Das Jahresmotto »Tu deinen Mund auf für die Anderen« steht für Zivilcourage und kann als allgemeingültig aufgefaßt werden – es geht um unsere Gesellschaft und alle in ihr lebenden Menschen, gleich welcher Kultur oder Herkunft.
Am Sonntag lud die Dresdner Philharmonie am Beginn der diesjährigen Festwoche zu einem Konzert des Fördervereins-Orchesters und des Philharmonischen Chores (Einstudierung: Gunter Berger und Iris Geißler) in den Kulturpalast. Für das anspruchsvolle Programm hatte Wolfgang Hentrich, Initiator des Fördervereins-Orchesters, auch einige Kollegen und Gäste, darunter aktive und ehemalige Mitglieder der Dresdner Philharmonie, überzeugen können. Der Abend stand einerseits besonders im Zeichen von Komponisten bzw. Werken mit christlichen und jüdischen Wurzeln, verwies aber außerdem – passend vor dem 150jährigen Jubiläum – auf die eigene Geschichte. Denn mit Jean Louis Nicodé hatten 1871 die Philharmonischen Konzerte begonnen (damals noch als »Gewerbehausorchester«). Der Dirigent Nicodé war als Komponist und unter anderem mit »Gloria! Ein Sturm- und Sonnenlied« in Erscheinung getreten. Die abendfüllende Sinfonie stellt in ihrer Dimension die Werke eines Anton Bruckners weit in den Schatten, doch ihre Aufführungsgeschichte brach nach Nicodés Tod bald ab. Da sich kein Orchestermaterial mehr ausfindig machen ließ, wurde es für diesen Anlaß neu aus der in Dresden liegenden Partitur angefertigt. Mit tiefen Streichern und der Leuchtkraft der Bläser wies »Gloria! Ein Sturm- und Sonnenlied« die Weite sinfonischer Bilder auf, welche durch Tremoli und das Durchschreiten großer Bögen episch bereichert wurde.
Die Idee der Woche rückte mit Gotthold Ephraim Lessings »Ringparabel«, vorgetragen von Ahmad Mesgarha (Staatsschauspiel Dresden), in den Mittelpunkt. Auch wenn sie hier dem Nathan-Kontext entrissen schien, kann man das Stück doch als für sich sprechend und bei uns kulturell verankert ansehen – einer erklärenden Zuordnung bedarf es nicht! Mit den letzten Zeilen begann das Fördervereins-Orchesters eines der bekanntesten Stücke Max Bruchs, sein »Kol Nidrei«, die Vertonung eines jüdischen Gebetes. Solist Friedrich Thiele sorgte nicht nur für einen verbindlichen Vortrag, einfühlsam, tragfähig, mit feinem Vibrato und einem Ton voller Tiefe, ohne »dick« zu wirken. Darüber hinaus ist Thiele als Sohn eines Philharmonikers und mittlerweile mit vielen Preisen ausgezeichnet längst selbst ein Botschafter der Musik, der in ganz Deutschland nicht zuletzt ein Stück Dresden repräsentiert. So auch in seiner Zugabe: »sanguinisch« aus den »Vier Temperamenten« von Rainer Lischka.
Mit Felix Mendelssohns »Lauda sion« erklang schließlich das Titelstück des Abends. Der als Jude geborene Komponist hatte für beiderlei christliche Konfessionen Werke geschrieben, so nach Texten von Thomas von Aquin. Mit Jana Büchner (Sopran), Britta Schwarz (Alt), Christoph Pfaller (Tenor) und Andreas Scheibner (Baß) standen dem Philharmonischen Chor ausnehmend gute Solisten bzw. ein Quartettensemble gegenüber, bei dem man ein wenig bedauerte, daß sie nicht alle solche Soli hatten wie Jana Büchner. Die glockenhelle Reinheit ihrer Stimme oder der einmal das Quartett überschwebende Tenor Christoph Pfallers waren berührende Höhepunkte im ausgewogenen Wechsel von Chor und Solistenensemble.
9. März 2020, Wolfram Quellmalz
Die »Woche der Brüderlichkeit« endet am kommenden Sonntag. In den nächsten Tagen und in Sonderveranstaltungen noch bis in den November sind Vorträge, Lesungen und Konzerte zu erleben. Das Jahresprogramm finden Sie unter: http://www.wdb-dresden.de