Innere Bezüge

Pianist Peter Rösel feiert Beethoven in der Villa Teresa

Viele Konzerte gibt es derzeit im Doppelpack – um auf das reduzierte Platzangebot zu reagieren, werden die Programme zweimal gespielt. Sie kommen dabei dem ursprünglichen Inhalt oft nahe, nur auf die Pause wird natürlich verzichtet. So konnten sich am Sonntag auch die Gäste der Villa Teresa in Coswig freuen, denn unter Ausnutzung des Platzes der an den Salon grenzenden Zimmer konnten alle, die es gewünscht hatten, eines der beiden Konzerte am frühen und am späteren Nachmittag besuchen.

Peter Rösel war zu Gast und zeigte – als »kleinen Beitrag zur weithin ausgefallenen Beethovenehrung«, wie er sagte –, daß jede der Sonaten Beethovens einen ganzen Kosmos in sich birgt. Jede vermag für sich zu stehen, aber natürlich macht es auch Freude, Bezüge offenzulegen. Für die passende Gewichtung sorgte Peter Rösel, in dem er die drei Werke nicht chronologisch spielte, sondern die achte Sonate, die sogenannte »Pathétique«, ins Zentrum rückte.

So stand die im gleichen Jahr wie Opus 13 geschriebene Sonate Opus 14 Nr. 2 (G-Dur) am Beginn und machte unmißverständlich klar, daß sich Bezüge und Gegensätze oft schon in einem Werk finden lassen. Janusköpfig begegnen sich immer wieder Motive und Gegenmotive, Thema und Widerhall – schon der erste Satz enthält den Dialog zweier Wesen – eines vorandrängenden und eines ausgeglichenen – die der Pianist aber nicht miteinander ringen, sondern spielen ließ. Auch im zweiten Satz, eigentlich einem Andante, dessen Variationen schließlich in einen Marsch führen, erhielt Rösel diese Ambiguität einer drängenden und einer ausgleichenden, kontemplativen Figur, ohne dafür überhöhte Kontraste bemühen zu müssen.

Die Gegenpole von Schwergewicht und Leichtigkeit verbanden sich ebenso in der Pathétique. Vielleicht wäre das Gleichgewicht bei leicht geöffnetem (statt geschlossenem) Klavierdeckel sogar noch größer gewesen. Zudem stellte sich bei forciertem Spiel ein leichtes Klingeln ein (glücklicherweise selten). Prägend blieb, daß sich die Interpretation nicht auf den vermeintlichen Höhepunkt, das Adagio cantabile konzentrierte, sondern durch die feine Artikulation beider Hände getragen wurde – das gesangliche Thema blieb strukturell eingebettet, die Bezüge auch hier gewahrt.

Auf circensische Darbietungen kann Peter Rösel ohnehin verzichten, ob nun im munteren Allegro der Pathétique oder in der vorletzten der Klaviersonaten Ludwig van Beethovens. In der Tat zeigt das Werk – vor dem normalerweise die Konzertpause gestanden hätte – einen Zustand von Vollendung, eine Abendstimmung in samtenen Rot- und Goldtönen. Vollendet noch im letzten Satz, der sich in – je nach Lesart – vier bis sechs Abschnitten emporhebt. Fast unerhört könnte man nennen, daß Beethoven diese Vollendung eben nicht in die Fuge legte, sondern ihr noch ein Atemschöpfen und neues Beleben nachfolgen ließ, bevor er Fuge und Allegro miteinander verschränkte. Dieses Atemschöpfen war ohne Mattigkeit, der »Phasenwandel« blieb belebt. Immer wieder fanden sich neue Impulse, Antriebe – mit seinem Opus 110 wollte sich Beethoven sicher nicht zur Ruhe setzen!

Peter Rösel auch nicht, und so sandte er den Sonaten noch eine Bagatelle aus Opus 119 nach – von wegen »Kleinigkeit!« Wer in Beethovens Bagatellen Kleinigkeiten sieht, hält Kometenschweife am Himmel wohl auch für Blinklichter …

20. Juli 2020, Wolfram Quellmalz

Schon in zwei Wochen gibt es wieder Klaviermusik in der Villa Teresa. Am 2. August ist Ragna Schirmer zu Gast und spielt Johann Sebastian Bachs »Goldbergvariationen«. Das Konzert wird wiederum zweimal gegeben. Weitere Informationen unter: http://www.villa-teresa.de

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