Am Ende gab’s ein großes Fest

Stippvisite bei den Bachfesttagen Köthen

Lieber anders als gar nicht, dieses Motto gilt derzeit an vielen kulturellen Orten. Die Köthener Bachfesttage um Intendant Folkert Uhde stellten kurzerhand ein neues Programm zusammen »leidenschaftlich familiär« nannten sie die Konzerte zwischen 2. und 6. September, luden ins Köthener Schloß und in den Park ein. Mit 50 Konzerten boten sie dabei jede Menge und konnten trotz reduzierter Platzzahl viel Publikum erreichen. Teil der Strategie waren kurze Konzerte (in der Regel 45 Minuten), die teilweise mehrfach oder in Serien aufgeführt wurden.

Am Sonnabend und Sonntag war im Johann-Sebastian-Bach-Saal, einem modernen Kammermusiksaal im historischen Gewand, Valer Sabadus zu Gast, den das Köthener BachCollektiv begleitete. Unter ihnen die beiden Violinistinnen Midori Seiler und Mayumi Hirasaki, die später noch (eine Premiere) gemeinsam als Solistinnen auftraten.

Im Mittelpunkt stand Johann Sebastian Bachs Solokantate »Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust«. Das BachCollektiv, das in dieser Konstellation ja erst zu den Bachfesttagen zusammengetreten ist (selbst wenn sich manche Musiker schon kannten oder gemeinsam gespielt haben) fand auf modernen Instrumenten (also nicht historisch informiert) sofort zu einem weichen, einnehmenden Klang, einem Timbre, das Valer Sabadus ebenso eigen ist. Der Countertenor verfügt dabei merklich über (mindestens) drei Stimmen: einen tiefen Grund, der die Basis markiert, den aber vor allem eine sanfte Tonfärbung kennzeichnet denn eines kernigen, durchdringenden Klangs. Auch in den Höhen bleibt diese Sanftheit erhalten, die Spitzen mildert und nicht auf Brillanz zielt. Am leuchtendsten klingt der Countertenor eigentlich in der Alt-Lage, doch fügen sich alle drei Bereiche Harmonisch, vor allem fanden Solist und das im Kreis stehende Ensemble (also mit den Schalllöchern der Violinen und Violen in unterschiedlichen Richtungen) zu einem angenehm homogenen Klang.

Der milde und wirklich schöne Klang verhinderte nicht, Betonungen und Akzente zu setzen. Und so verlieh Valer Sabadus dem » Ach! diese Schuld ist schwerlich zu verbeten.« im ersten Rezitativ eine fast tragische Tiefe, um sich gleich darauf in der folgenden Arie melismatisch wieder in die Höhe zu schwingen – Dramaturgie und Wirkung behielten gegenüber einer oberflächlichen Schönheit den Vorrang.

Das BachCollektiv konnte nicht nur in der abschließenden Aria eine rhythmische Prägnanz hervorbringen, sondern mit einem Doppelkonzert (D-Dur) Antonio Vivaldis, das zu den Studienobjekten Bachs gehört und von dem er eine Bearbeitung angefertigt hatte, aus der strukturellen Anlage Belebung und tänzerische Leichtigkeit hervorzaubern. Den langsamen Mittelsatz zelebrierten Midori Seiler und Mayumi Hirasaki wie ein gesungenes Duett.

An dieser Stelle hätte es sonst vielleicht eine Pause gegeben – das ist derzeit natürlich nicht möglich. Mit einem sonnigen »Et exultavit« (Bach) konnten Valer Sabadus und das BachCollektiv aber noch einmal glänzen – mehr Gelegenheit zum Genießen wird es sicher auch bald wieder geben.

6. September 2020, Wolfram Quellmalz

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